Das Mädchen und der Schwarze Tod
nicht beantwortet.«
»Warum sollte ich?« Frech wippte der Beutel auf ihrer Hüfte und schepperte vor Scherfen und Blafferten – billigen Hohlpfennigen, die kaum etwas wert waren.
»Du bekommst keinen Pfennig mehr von mir, Weib«, sagte Marike ruhig. »Du wolltest doch, dass ich auf euer Fest komme. Wenn du es mir sagst, dann werd ich es mir überlegen!«
»Marike!«, entfuhr es Lyseke.
»Überlege nur, so viel du willst«, erwiderte die Frau kühl. »Nur bist du nicht mehr willkommen.«
»Aber vorhin hast du gesagt, der Pfeifer -«
»Vorhin war vorhin. Jetzt hat er’s sich anders überlegt, Honigmäulchen. Geh nach Hause.« Die Fiedlerin wandte sich schon ab, doch Marike hielt sie zurück. Vorhin hatte die Fiedlerin etwas vom Rovershagen gesagt. Dann wusste sie ja, wo sie den Schmied morgen Abend anträfe. »Ich brauche keine Einladung. Ich werde kommen.«
»Marike! Jetzt ist’s aber genug!«, entfuhr es Lyseke.
»Du hast mich gehört, Weib. Ich werde kommen.« Marike schlug bei diesen Worten zwar mehr denn je das Herz bis zum Halse, doch wenn sie dort hingehen musste, um herauszufinden, was Lynow trieb, dann würde sie es tun.
Während sich in den Augen der Fiedlerin so etwas wie Respekt einschlich, zeichnete sich auf dem Gesicht der kleinen Lyseke Fassungslosigkeit ab. »Marike!«, rief sie zum dritten Mal. »Das kannst du nicht tun! Du machst deinen Ruf kaputt, wenn jemand davon Wind bekommt! Ganz zu schweigen von deiner Seele. Die Priester sagen, es verdürbe den Charakter, allein den unsittlichen Schaustücken zuzuschauen! Nur weil der -?«
»Sch!« Marike schnitt ihr das Wort ab. Die Fiedlerin brauchte nicht zu wissen, dass sie und der Schmied belauscht worden waren.
Lyseke lachte gekünstelt. »Das war ein Scherz, nicht? Du willst gar nicht gehen.«
»Ich scherze nicht, Lyseke.«
»Oh.«
Die Fiedlerin mischte sich ein. »Hör auf sie, Honigmäulchen. Du bist nicht willkommen bei uns!« Damit drehte sie sich um und schlenderte in Richtung Marktplatz davon.
»Marike«, stieß Lyseke bedrückt aus. »Was ist nur in dich gefahren? Nur weil der Schmied ein Techtelmechtel mit einer Hure hat, willst du nachts durch die Stadt schleichen und dich auf verruchten Festen herumtreiben? Wenn dich nun jemand sieht! Was denkst du dir dabei?«
»Lyseke, du hast es doch gehört. Der Lynow heckt auf diesem Fest morgen Abend im Rovershagen etwas Schlimmes gegen meinen Vater aus. Wie kann ich da nicht gehen?«
»Aber, Marike! Was soll er denn aushecken? Und warum?«
»Warum auch immer. Ich dachte, die Fiedlerin steckt auch mit drin. Aber wenn sie nicht redet, muss ich selbst nachsehen.«
»Was der Schmied mit der Fiedlerin wollte, ist ziemlich eindeutig«, bemerkte Lyseke errötend. »Aber glaubst du wirklich, dass Lynow Ernst macht?« Marike nickte langsam. »Da ist etwas im Busch, Lyseke. Da steckt mehr dahinter als nur der Streit um mich. Und ich muss herausfinden, was das ist.«
»Wäre es nicht besser, deinen Vater zu fragen? Anstatt nachts ins Magdalenenviertel auf einen Zigeunermarkt zu gehen, meine ich.«
»Ich kann Vater davon nichts sagen, Lyseke«, erwiderte Marike eindringlich. »Ich weiß nicht, ob er mir glauben würde.« Er würde es vermutlich für eine von Marikes Geschichten halten. »Und dann wäre diese Gelegenheit vertan, denn dann ließe er mich nicht aus dem Haus. Auch du darfst niemandem davon erzählen!«
Die junge Freundin legte ihre Stirn in Falten und starrte grübelnd ins Leere. Doch das Runzeln glättete sich schnell. »Ich werde schweigen. Unter einer Bedingung.«
»Welcher?«
»Ich komme mit dir«, sagte sie bestimmt.
»Lyseke!«, stieß Marike nun ihrerseits überrascht aus und fuhr herum.
»Ich komme mit. Du bist für mich wie eine Schwester! Und du glaubst doch nicht, dass ich dich allein durch die Nacht schleichen lasse? Marike, hast du eine Vorstellung, was da alles passieren könnte? Nein, zu zweit ist es sicherer als allein. Und wenn uns jemand sieht, haben wir stets die andere als Leumund.«
Marike wollte Lyseke nicht auch noch in Gefahr bringen. Doch der Gedanke, allein durch die nächtlichen Straßen zu gehen, war ihr nicht geheuer – besonders, da die Pest vielleicht bereits in den Mauern Lübecks hauste!
Die Freundin versuchte derweilen, den Gang vor sich zu rechtfertigen. »Wir sind ja fest im Glauben. Wir gehen nicht dorthin, um den Schaustellern zuzusehen. Und es ist ja nicht so, dass wir nach Hamburg ausbüchsen würden. Es ist nur das
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