Das Mädchen und der Schwarze Tod
Magdalenenviertel. Wir sind ganz schnell wieder zu Hause! Und du kannst herausfinden, ob etwas hinter dieser Verschwörung steckt.«
In diesem Augenblick erklang vom Marktplatz her erneut die einsame Flöte. Der düstere Klang des rauen Instruments brachte etwas in Marike zum Schwingen. Sie drehte sich um, denn sie meinte, diese Melodie zu erkennen – gar wiederzuerkennen. Eine ganz ähnliche melancholische Tonfolge war ihr am gestrigen Morgen beim Aufwachen durch den Kopf gegangen. Marike machte ein, zwei Schritte aus der Gasse auf den nun weniger dicht bevölkerten Marktplatz und reckte den Hals. Und tatsächlich – als sich die Menge teilte, erhaschte Marike einen Blick auf düstere Augen, die sie kühl musterten. Der Pfeifer stand kaum zwanzig Ellen entfernt von ihr beim Pranger. Daher erkannte sie ihn sofort wieder – denn es handelte sich um den zotteligen Burschen, der bis vor Kurzem noch für wer weiß welches Verbrechen am Pranger gehangen hatte! Offenbar hatte er seine Strafe verbüßt und sich zu den anderen Spielleuten gesellt. Marike wandte sich schnell wieder ab, doch die dunklen Augen hatten sich ihr tief eingeprägt. Und obwohl die Sonne langsam ihre mittägliche Bahn einschlug und die Hitze um sie herum fast greifbar war, fröstelte sie.
Schließlich fiel die Fiedel der Hure in das Lied ein, und da wusste Marike, dass die Entscheidung, dem Schmied nachzuspionieren, die richtige war. Trotz der Warnung des Vaters – oder gerade wegen der Warnung des Vaters. Der Kerl führte etwas im Schilde, das spürte sie. Und sie konnte nicht zulassen, dass ihr Vater dadurch in Bedrängnis geriet. Endlich war es mal an ihr, über ihn zu wachen, nachdem es so lange Jahre umgekehrt gewesen war.
DER RITTERSMANN
Beim Zwitschern eines Rotkehlchens auf dem Fenstersims wachte der Herr Evert von Ulenburch aus seinem weinschweren Schläfchen am Nachmittag auf. Der Ritter brachte einen großen Rülpser aus seinen Eingeweiden hervor. Dabei patschte er die Hand ins Wasser seines Zubers, um die eintretende Bademagd mit einem großen Spritzer zu begrüßen. Während der Vogel aufgeschreckt davonflog, war die zaghafte junge Frau so was offenbar gewohnt, denn sie zuckte kaum und setzte ihren Weg durch die großen Pfützen um den Zuber herum fort. Sie zog einen Schemel heran und legte das Rasiermesser darauf ab, um die Seife aus einer Ecke der Kammer aufzuheben. Hier stand auch das Schwert des Herrn Evert, das Zeichen seines Ritterstandes, in einer kostbar geschmückten Scheide. Sicher, er hatte es noch nie wirklich für irgendetwas Sinnvolles benutzt, außer damit pompös herumzufuchteln. Man kleidete sich gut, ritt prachtvoll einher, wenn man ein Ritter war. Mit Krieg hatte das heutzutage glücklicherweise nicht mehr viel zu tun.
»Der Mond ist aufgegangen!«, krähte Herr Evert, als sie sich bückte und ihm dabei ihr bekleidetes Hinterteil präsentierte – offenbar war die Seife genau aus diesem Grund in der Ecke gelandet. »Von Schleiern verhangen, oh weh! Zieh dich aus, Weib, und steig ins Wasser, damit ich ihn mir von Nahem anschauen kann!«
»Wir sind nicht so ein Badehaus, Herr«, sagte die junge Magd Karla scheu. »Lasst mich Euch den Bart machen!« Sie näherte sich ihm von hinten mit dem Rasiermesser in der Hand.
»Der Bart«, grunzte der Ritter und ließ die Faust auf das Brett mit der Mahlzeit sausen, sodass der schrumpelige Apfel, die Rosinen und der Holzteller mit Brot und Käse einen kleinen Luftsprung taten. »Der Bart!« Er führte den Weinkelch mit der Linken zum Mund und leerte den Rest in einem Zug. »Der Bart kann warten! Meine Lanze hingegen ist gespitzt und bereit für den Stoß, Magd!«
»Aber, Herr«, stotterte die Magd, »dafür könnt Ihr ins Hurenhaus. Oder soll ich Euch eine holen? Ich kann schnell …« Sie wies zur Tür.
»Mehr Wein!«
Also lief Karla erst nach dem Weinkrug und füllte seinen Kelch nach. Mit einem schnellen Griff packte Herr Evert sie am Handgelenk. Dann zog er sie näher heran.
»Lüpf die Röcke und steig herein, Kind, sonst werde ich wütend. Und du willst die Kundschaft deines Herrn doch nicht wütend machen, oder?«
»Nein, Herr, natürlich nicht, aber der Herr …« Die Magd versuchte, dem Mann das Handgelenk zu entziehen, doch sein Griff war zu fest. Schließlich hatte er sie am Rand des großen Badezubers.
»… hat sicher gesagt, du sollst mich nach aller Kunst bedienen, nicht wahr?«
»Ja, Herr, aber nicht so, wir dürfen nicht …«
Mit einem kräftigen
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