Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
Moment die Worte. »Ich habe nie gedacht, dass du unglücklich bist«, gestand sie dann.
    Mit tränenverschnupfter Nase hob Lyseke ratlos die Schultern. »Nein, warum auch. Nur dass ich an dir immer wieder sehe, wie langweilig ich eigentlich bin. Der Einzige, der glaubt, dass ich etwas Besonderes bin, ist der Kindskopf Gunther von Kirchow, der heute Morgen um meine Hand angehalten hat. Wir werden ein feines Paar abgeben.«
    »Deine Hand?«, entfuhr es Marike, die ihren Ohren nicht traute. »Herr von Kirchow hat um deine Hand angehalten?«
    Lyseke nickte und biss sich auf die Lippen. »Das hätte ich noch gar nicht sagen dürfen! Der Herr Vater reißt mir den Kopf ab!«
    Widersprüchliche Gefühle suchten Marike heim – Freude, Neid, Sorge, die liebe Freundin zu verlieren -, doch das Mitgefühl drängte die anderen zurück, als sie an den Kommentar dachte. »Aber willst du ihn denn nicht?«, fragte sie sanft.
    Die Freundin verdrehte die feucht schimmernden Augen. »Natürlich will ich ihn, Marike. Ich habe ihn ja gern! Und was sollte ich sonst tun – Begine werden? Ewig allein bleiben? Ich habe dich immer beneidet. Du bist so stark! So stark werde ich niemals sein.«
    »Stark?«, wiederholte Marike verdattert. Sie fühlte sich nicht stark und hatte das im Gegenteil immer von Lyseke angenommen.
    Diese klang teils erleichtert, teils bedrückt darüber, weil ihr Geheimnis endlich über die Lippen kam. »Ja, stark, du Dummerchen. Sieh dich doch einmal an! Du bist siebzehn und noch unverheiratet! Andere Mädchen tragen in deinem Alter bereits das zweite Kind unter dem Herzen, ohne sich selbst in dieser Welt zurechtzufinden. Du steckst mit dem Kopf in den Wolken und findest deinen Weg trotzdem so sicher, als sei er in Stein gemeißelt. Solch eine Freiheit besitzt sonst kein Mensch, glaub mir! Dein Vater«, ihre Stimme brach einen kurzen Moment, »jagt dir keinen Schrecken ein, wenn er wütend wird, oder zertrümmert die Einrichtung, wenn ein Geschäft den Bach heruntergeht. Deiner hat dir nie vorgeschrieben, was du zu tun und zu sein hast, was du zu sagen und wann du zu schweigen hast. Du bist anders. Ohne Masken. Ohne Lügen. Einfach Marike.« Lyseke lächelte ein wenig entschuldigend. »Und ich beneide dich darum, dass du das kannst.«
    »Aber – ich habe noch keinen Mann, weil mein Vater jeden Junggesellen vergrault, der bei uns an die Haustür klopft. Und die Frauen der Gesellschaft nehmen mich gar nicht ernst. Sie nennen mich eine Mondsüchtige! Du solltest sehen, wie sie sich Blicke zuwerfen, wenn sie glauben, dass ich nicht hinschaue. Wenn sie mit mir reden, dann ist das genauso, als …« Marike rang um Worte, »na ja … als würden sie einem Zurückgebliebenen gnadenvoll ein Almosen zukommen lassen, um ihre Christenpflicht zu tun.« Sie machte eine Pause und rang, selbst den Tränen nahe, um Worte. »Du sagst, ich wäre einfach nur ich. Wer ist diese Marike, die stark ihren Weg geht und genau weiß, wo sie hinwill? Ich kenne sie nicht. Ich … ich nehme jeden Tag, wie er kommt. Ist klares Wetter, lache ich mit der Sonne und freue mich darüber, wie der Wind die Blätter streichelt. Ist Regen, werde ich melancholisch und lausche auf das hohle Tropfen des Wassers in der Regentonne. Ich habe kein Ziel vor Augen, so wie du. Was soll daran wohl beneidenswert sein?« Sie schniefte und wischte sich die feuchte Wange ab.
    Lyseke starrte sie eine Weile stumm an. »Du scherst dich nicht darum, was andere über dich denken«, sprach sie dann leise. »Du erkennst etwas in den Dingen, das andere nicht sehen können. Und du glaubst immer an das Gute in den Menschen. Deshalb starren sie dich an.«
    Marike musste schmunzeln. Dann fand sie sich plötzlich in einer impulsiven Umarmung der Freundin wieder. »Es tut mir leid!«, murmelte die. »Ich wollte dir das nie sagen!«
    »Aber warum denn nicht?«, fragte Marike und erwiderte die tröstende Geste. »Dann hätte ich gewusst, dass du unglücklich bist.«
    Lyseke löste sich wieder von ihr und richtete ihre Haare. »Und was hätte das genutzt? Wir sind, wie wir sind. Niemand kann sich neu erfinden.« Sie seufzte. »Außerdem bin ich nicht unglücklich. Wer kann unglücklich sein, wenn es ihm so gut geht wie mir?« Sie lächelte tapfer. »Mir geht es gut. Ich werde heiraten! Und du musst dich für mich freuen.«
    Marike nickte wehmütig. »Das tue ich. Du musst mir nur eines versprechen.«
    »Was denn?«
    »Auch wenn du einen Haushalt führen musst, einen Stall voller Kinder

Weitere Kostenlose Bücher