Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
Sie wollte sich schon wieder abwenden, da fiel ihr Blick auf ein anderes bekanntes Gesicht – das von Bernt Notke, der wenige Schritte entfernt in der Menge stand und zu ihr herübersah.
    Die Kaufmannstochter durchfuhr im selben Augenblick Freude und Schrecken. Wie lange stand er dort schon und beobachtete sie? Was musste er nun von ihr denken? Marike errötete, als der Maler sich durch die Menge zu ihr herüber schob. Warum mussten sie einander ausgerechnet hier begegnen?
    »Jungfer Marike.«
    »Herr Notke!«, antwortete Marike mit belegter Stimme. »Ihr hier …«
    »Und Ihr.« Die Aussage Notkes enthielt zugleich eine unterschwellige Frage. Sein Blick schweifte von ihr zum Flötenspieler und zurück. Sie spürte, wie ihr Gesicht glühte – peinlicher konnte die Situation kaum sein. Doch Marike hatte sich geirrt.
    »Keiner von Euch beiden sollte wohl hier sein, wie?«, schmunzelte der Pfeifer und legte die helle Flöte an die Lippen. Er entlockte ihr einige dunkle, hohle Töne. Als Marike und Notke ihn feindselig anstarrten, zog er die Augenbrauen hoch. »Ich glaube, das ist der Augenblick, in dem ich mich zurückziehen sollte. Ich habe ein Lied zu spielen, Herrin«, er verneigte sich zu Marike hin, während er schon begann, in den Rhythmus von Fiedel und Handtrommel einzustimmen und eine helle Melodie hinzuzufügen. Marike konnte es ihm nicht verdenken – die Musik war mitreißend und trieb auch ihr Herz in einen schnelleren Rhythmus. Dann ging der Pfeifer rückwärts und drängelte sich in die Menge hinein, bis Marike ihn aus den Augen verloren hatte.
    Der Maler räusperte sich. »Jungfer Marike«, begann er befangen, »dies ist eigentlich nicht die Gesellschaft, in der ich mich üblicherweise aufhalte -«
    »Ich auch nicht«, versicherte sie schnell.
    »Mir ist das sehr unangenehm -«
    »Mir auch!«, fügte Marike hinzu.
    »Ihr müsst mir glauben, dass ich hier nichts anderes gesucht habe -«
    »Ihr mir auch!«
    »… als Euch.«
    »Was?«, entfuhr es der Kaufmannstochter überrascht. »Ihr seid hier, um mich zu treffen?«
    Notke nickte. »Eure Freundin – Jungfer Oldesloe – hat mir verraten, dass Ihr herkommen wolltet.«
    »Hat sie das«, erwiderte Marike flach und sah sich nach der Freundin um. Lyseke war nirgends zu sehen – doch die würde später etwas zu hören kriegen! Was sollte sie dem Mann denn nun sagen? Sie wusste ja selbst noch nicht, was Lynow im Schilde führte.
    »Ich … also, ich bin hier mit Lyseke … weil sie bald verehelicht wird. Sie … sie wollte schon immer mal eine Totentanz-Aufführung sehen, und es gab nur die eine Gelegenheit …« Sie hörte selbst, wie dumm das alles klang. »Habt Ihr den Totentanz denn auch gesehen?«
    Nickend sah Notke sich um. Seine Augen lächelten schalkhaft. »Ich habe den Eindruck, dass er noch immer um uns herum stattfindet.«
    Er hatte recht – die Darsteller hatten sich unter die Zuschauer gemischt und vollführten mit ihnen einen wilden, ausgelassenen Reigen. Gerade tanzte der Mann mit einem löchrigen Falknerhandschuh vorbei, der den Edelmann darstellen sollte. Von Nahem sah er so armselig aus, dass Marike und Notke gemeinsam in ein befreiendes Lachen ausbrachen.
    »Oh, wunderbar«, lachte Notke mit strahlenden Augen und hob Hände und Augen ergeben gen Himmel. »Lieber Gott, lass diesen Augenblick vorübergehen. Hier steh’ ich vor Dir in einem Hof voller Narren – nicht, dass sich das von jedem anderen beliebigen Tag unterscheiden würde -, die wunderbarste Jungfer Lübecks neben mir, um mich herum wogt ein leidenschaftlicher Tanz, und ich stehe hier und druckse vor mich hin.«
    Marike blinzelte ein paarmal und hörte nur ein Rauschen in ihren Ohren. Hatte er gerade »wunderbarste« gesagt? Als sie wieder aufsah, schaute Notke sie fragend an, als warte er auf Antwort.
    »Hm?«, brachte sie verständnislos hervor.
    »Ich habe gefragt, ob Ihr Euch wohl mit mir in den Tanz gesellen wollt.«
    »Ah«, meinte sie und lächelte. Ihr Herz schlug schneller. Um sie herum brodelte das Meer aus Tänzern. Fetzen von Gelächter, Keuchen, Kichern und Worte drangen zu ihr herüber. Sie scherte sich nicht mehr um Lynow. Dafür war später noch Zeit. Sie reichte Notke eine Hand und warf ihm einen innigen Blick zu. »Ich vertraue mich Euch an, Herr Notke«, sprach sie mit trockenem Gaumen.
    »Ich verspreche, auf euch achtzugeben«, erwiderte er leise. Sie warteten auf eine Lücke und griffen nach den Händen der Tänzer, um sich einzureihen. Ehe Marike

Weitere Kostenlose Bücher