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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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machte ihn durstig. Als Dietrat zum zweiten Mal halb durch die Summe durch war, fiel ihm beim Trinken auf, dass das Schlucken schwerfiel und die Zunge ihm nicht so recht gehorchen wollte, sodass ein Teil der Flüssigkeit auf den Tisch und die Münzen lief. So etwas hasste Pömerja – nichts war ihm mehr zuwider als klebriges Geld! Also wischte er die Flüssigkeit mit der Hand zurück in den beinahe geleerten Bierkrug.
    Als die letzten Münzen von der einen auf die andere Seite des Rechenteppichs gewandert waren, war auch der letzte Schluck getrunken. Dietrat nickte zufrieden, denn er hatte zum zweiten Mal dieselbe Summe gezählt, was ihm Bestätigung genug war. Er würde eine große Zahl Münzen bei Oldesloe umtauschen müssen, da sie aus zu wertlosen Legierungen bestanden.
    Mit einem Mal drang ihm ein merkwürdiger Geruch in die Nase. Schnüffelnd näherte er sich dem Bierkrug – vermutlich hatte eine Ratte oder eine Maus daran ihr Wasser abgeschlagen. Momentan ärgerte ihn vielmehr eine gewisse Übelkeit, die ihm in die Kehle schlich. Er unterdrückte ein flaues Gefühl im Magen, bis er die Summen zusammengerechnet und notiert hatte. Dann stellte er erschrocken fest, dass er schweißgebadet war und es ihn mit Macht auf den Abort drängte.
    Die erste Welle der Übelkeit überkam ihn. Pömer sprang auf und wollte loslaufen, um sich nicht hier und jetzt zu übergeben. Als er merkte, dass seine Füße ihm nicht mehr gehorchten, war es bereits zu spät. Er stolperte gegen die Tür und stürzte zu Boden, wo er sich heftig mehrfach übergab. Das Beben auf den Dielen verursachte auf dem Tisch einen kleinen Geldrutsch. Bald kollerten und sprangen die Münzen durch den Raum, doch Pömer interessierte das nicht – sein Kopf und sein Bauch schmerzten so heftig vom Würgen, dass er Mühe hatte, klar zu denken.
    »Heiliger …«, lallte er, bevor ihn wieder der Brechreiz überkam und so stark durchschüttelte, dass er um Atem rang. Hatte er eben noch an eine schlimme Erkältung mit Durchfall und Übelkeit geglaubt, zweifelte er nun nicht mehr daran, dass sein Zustand nicht natürlich herbeigeführt war. Sein Herz raste, und er versuchte, sich mit den Händen zur Tür zu ziehen. Wieder und wieder suchten ihn Krämpfe heim, sodass er kaum eine Elle weit kam. Dietrat Pömer wimmerte um Hilfe.
    Der Wucherer versuchte, wieder Herr seiner Sinne zu werden. Bei einer so schnellen Reaktion konnte es sich nicht um Pest oder eine Krankheit handeln. Nein, es konnte nur Gift sein, denn Dietrat Pömer hatte bereits Schwierigkeiten, Luft zu schöpfen. Dabei hatte er doch bei Herrn Pertzeval gar nichts getrunken – und dem würde er niemals zutrauen, ihn zu vergiften! Er stierte schmerzverkrampft vor sich hin. Wo konnte er sich das Gift nur zugezogen haben? Vor seinen Augen lagen einige der herabgefallenen Münzen. Pömer richtete seinen Blick darauf und griff fahrig nach einer davon. Als er daran schnüffelte, drang ihm ein vertrauter Gestank in die Nase. Mäusepisse! Das musste Oldesloes Werk sein! Der Mann wusste, wie stolz Pömer darauf war, Fehlgewicht von Münzen durch einen Biss erkennen zu können. Er hatte seinen Stolz ausgenutzt, um ihn mit seinem eigenen Geld zu vergiften. Dem Bankier entging die Ironie dieser Tat nicht.
    Während Dietrat Pömer sich nun schon im Fegefeuer wähnte, öffnete sich knarrend die Tür. Schritte auf den Dielen brachten die Münzen auf dem Boden zum Tanzen. Der Bankier konnte sich kaum noch bewegen und rang keuchend nach Luft, als sich eine dunkle Gestalt über ihn beugte und ihn auf den Rücken drehte.
    »Schlimmes Schicksal, ich weiß«, murmelte eine helle Stimme. Pömer konnte die Gestalt nicht erkennen, doch sie war nicht groß. Wie kam sie hier herein? Sein Haus galt als eines der bestgesicherten in ganz Lübeck – er bezahlte sogar eigene Wachen, die Tag und Nacht sein Grundstück sicherten! »All das Kotzen und Scheißen ist kaum ein würdiges Ende für einen Mann wie Euch«, sprach die Gestalt. Stöhnend bewegte Pömer die Hand und wies auf das Gold, das in der Kammer um ihn herum verstreut war. »Nehmt!«, wollte er rufen. »Helft!« Doch mittlerweile drang ihm nur mehr ein Krächzen aus der Kehle. »Der Schierling war noch das Gnädigste, das könnt Ihr mir glauben.« Finger fuhren wie segnend über Dietrats Stirn, dann spürte er einen kurzen Stich, während die Gestalt weitersprach. »Eisenhut zum Beispiel dauert länger und ist weit hässlicher. Aber keine Angst, das Geld lässt sich

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