Das Mädchen und der Zauberer
empfehlen? Es gibt genug billigere bei uns. Am billigsten, aber sehr gut wohnen Sie in den kreolischen Herbergen. Und essen kann man da! Essen!« Der Neger verdrehte die Augen. »Und Mädchen gibt es da! Feurig wie Pfeffer! Aber auch billiger als in Fort de France!«
»Danke für die Information. Aber ich muß im Le Victoria wohnen …«
»Sie müssen, Monsieur?«
»Ich habe einen Preis gewonnen. Da ist das Hotel inbegriffen.«
»Da kann man nichts machen, Monsieur.« Der Neger trat wieder aufs Gas. Der Maler nickte mehrmals. Sie bogen jetzt um das Lycée Schoelcher herum in die Avenue Martin-Luther-King ein. »Nein, da kann man gar nichts machen.« Er blickte wieder hinaus. Die Straße ging etwas bergauf, von Meter zu Meter wurde die Aussicht schöner, ein Blick über die ganze Stadt, über die weite Bucht, über grüne Hügel und hinüber, in der Ferne, zum Mont Pelée. Rechts von ihnen tauchte jetzt in weiten Parkanlagen ein großer Gebäudekomplex auf, links von ihnen, ebenfalls von Anlagen umgeben, ein anderer imponierender Bau. »Wirklich, das sind tolle Hotels!« sagte der Maler.
»Sie irren, Monsieur.« Der Neger zeigte nach links und nach rechts. »Das ist die Clinique St.-Paul, und das ist das Hôpital Civil. Ihr Hotel liegt praktisch zwischen beiden. Sie sehen es gleich.«
»Sicherer geht es nicht.« Der Fahrgast lachte kurz auf. »Wenn mich ein Kunstkenner erschlägt, sind zwei Krankenhäuser gleich nebenan.«
»Und hinter dem Hôpital Civil gleich der Friedhof du Trabaud …«
»Was will man mehr?! Die Leute in Marseille wissen schon, wo sie mich hinschicken.«
Das Hotel Le Victoria, erbaut im Kolonialstil, umgeben von einem 5.000 Quadratmeter großen Park mit Schwimmbecken und Solarium, eine Pracht an Blüten und Lilien und chinesischen Astern, Frangipani und Poincianas, mußte jedes Malerauge reizen. Der Neger hielt vor dem Hoteleingang und wartete. Da der Gast keine Anstalten machte, auszusteigen, fragte er wieder mit einem breiten Grinsen: »Jetzt doch umkehren, Monsieur?«
»Junge, ich habe gewonnen!« Der Maler stieß die Wagentür auf. »So was gewinnt man in seinem Leben nur einmal!«
In der Halle, an der Réception, erwartete ihn ein Mädchen, wie man es nur in Träumen sehen kann. Ihr Lächeln drang mitten ins Herz und heizte die Temperatur noch mehr auf.
»Ich bin Jean Aubin!« sagte der Maler und stellte seine Staffelei an die Theke. »Der Maler Aubin, der den Ersten Preis von Marseille gewonnen hat. Mein Zimmer ist bestellt?«
»Es ist alles in Ordnung, Monsieur Aubin!« Die schwarzgelockte Fee mit dem betörenden Lächeln griff nach hinten an das Schlüsselbrett. »Nummer 14, Monsieur.« Plötzlich war auch ein Hausdiener da und suchte das Gepäck. Der einzelne zerbeulte Metallkoffer schien ihn anzuekeln. Wer hier absteigt, hat Büffellederkoffer oder wenigstens Schweinsleder.
»Es ist wirklich alles«, sagte Aubin, der den Blick richtig verstand. »Wenn ich einmal ein zweiter Picasso sein werde, komme ich mit zwanzig Koffern. Das verspreche ich Ihnen.«
Das Zimmer 14 war groß, lichtdurchflutet, durch eine Klimaanlage köstlich kühl, gab den Blick frei über den Park und hinüber zu den grünen Hügeln und das Massiv des Mont Pelée, auf den Strand von Schoelcher und Case-Pilote. Wenn man am Fenster stand, war man versucht, die Arme weit auszubreiten und vor Wonne zu jubeln.
Für jeden Maler wäre das ein Paradies gewesen, und das erste, was er getan hätte, wäre der Aufbau seiner Staffelei gewesen. Bei Jean Aubin war das anders. Er zog sein verschwitztes Hemd aus, drehte die Dusche an, hielt seinen blondmähnigen Kopf und den Oberkörper unter den kalten Wasserstrahl – er hatte übrigens einen gut durchtrainierten, muskulösen Körper und hätte beim ersten Blick eher ein Sportler sein können als ein Maler – nibbelte dann die Nässe von seiner Haut und ging zum Telefon.
Er wählte den Teilnehmer, als sei er hier in Martinique zu Hause und sagte, als sich der andere meldete: »Ich bin da. Nein, es ist alles glattgegangen. Sagt mal, habt ihr zuviel Geld?! Wo habt ihr mich denn untergebracht? Bin ich ein Maharadscha?!« Der Angerufene sagte etwas, Aubin lachte kurz und fuhr dann fort: »Morgen nehme ich mir einen Leihwagen und beginne mit einem Hafenbild. Nein, ihr schickt mir keinen Wagen herüber. Ich will einen kleinen Renault, einen, der zu mir paßt. Salut, mes amis.«
Eine Stunde später klopfte es an der Tür. Ein Boy brachte ein Päckchen. »Es wurde für Sie
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