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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zuckte zusammen, Jules ließ sich in seinen Liegestuhl zurücksinken und schob den Stab hinter sich weg, aber sie drehte sich nicht um, sie griff nur nach hinten an den Rücken, als habe sie dort ein Insekt gestochen, und kratzte sich.
    Nach fünf Minuten erhob sich Jules, stützte sich auf seinen Stab und ging langsam hinüber an die Bar. Er bestellte einen Rum mit Maracujasaft, trank das Glas in aller Ruhe leer und war mit sich zufrieden. Morgen früh würde die blonde Fremde in ihrem Bett liegen, und keiner würde wissen, wie sie gestorben ist. Das Herz hatte einfach stillgestanden.
    Aber am nächsten Morgen sah Jules sie wieder im Schwimmbecken planschen. Betroffen blickte er auf sie hinunter, lief dann zurück in seine Kabine und riß seinen Voodoo-Stock hoch empor. Mit dumpfen, klagenden Lauten hüpfte er herum, bis er erschöpft aufs Bett sank und der Stab aus seiner Hand fiel.
    Sie muß erst an Land sein, dachte er sich beruhigend. Sie muß die Erde und die Luft berühren, durch das Wasser gehen und das Feuer sehen, die vier Wohnungen der Götter. Hier kann sie nicht mehr entrinnen.
    Geduld, meine kleine arme Josephine, Geduld. Wir vernichten sie. Jetzt ist es auch für mich der Beweis meiner Priesterkraft. Die Fremde hat mich zum Duell gefordert.
    Langsam glitt das Schiff an die Pier. Eine Menge Menschen winkte, eine Steel-Band hämmerte wilde Rhythmen zur Begrüßung. Die bunten Kleider der Mädchen leuchteten in allen Farben. Unter geflochtenen Strohhüten und bunten Kopftüchern lachten die schönsten Gesichter, glänzten die verheißungsvollsten Augen.
    In einem weißen Anzug stand René Birot ganz vorn an der Pier und winkte mit beiden Armen. Im Schatten der Hafenschuppen wartete sein Wagen, ein schneeweißer Citroën. Der schwarze Fahrer, in einer weißen Uniform, lehnte an der Motorhaube und grinste breit.
    Madame kommt. Madame wird sich wundern.
    »René!« schrie Petra Herwarth und schwenkte ihren Schal. »René! René!«
    Er erkannte sie, machte einen jungenhaften Luftsprung, wedelte wieder mit den Armen durch die Luft und warf ihr Kußhände zu.
    Sie lachte glücklich, winkte zurück, rannte unter Deck zum Ausgang, wo schon ihr Gepäck stand, und wartete zitternd, wie ein Mädchen bei seinem ersten Abenteuer, auf den Augenblick, wo sie in Renés Arme stürzen konnte.
    Jules blieb in seiner Kabine und blickte durch das Fenster. Er wollte als letzter von Bord gehen. Natürlich kannte René ihn, den Onkel von Josephine Cadette. Man mußte deshalb unsichtbar bleiben.
    Der weiße Citroën hatte die Pier verlassen.
    Zum Empfang hatte René noch eine besondere Überraschung bereitgehalten: Als Petra die Gangway herunterkam und sich suchend umblickte, kam ihr zunächst nur ein riesiger Strauß aus Anthurien, Orchideenrispen und Frangipanizweigen entgegen. Dahinter glänzte ein wunderschönes, braunes Mädchengesicht, in einem grellbunten, bodenlangen Kleid bewegte sich ein schlanker, und doch wohlgeformter Körper, eines jener Traumgeschöpfe der Karibik, die im Schmelztiegel der Rassen entstanden ist. Erst dahinter entdeckte Petra den sich etwas duckenden René, der versuchte, sich hinter dem riesigen Blumenstrauß zu verstecken.
    »Willkommen, Madame Birot!« rief er, kam um den Blumenstrauß herum, breitete die Arme aus und riß Petra an sich. »Willkommen zu Hause!« Er küßte sie, wirbelte sie dann herum und machte eine alles umfassende Handbewegung. »Das alles lege ich dir zu Füßen. Den schönsten Fleck Erde.«
    »Es ist fast nicht wahr …« sagte sie leise. »Man muß sich immer wieder sagen: Nein, du träumst nicht! Was du siehst, ist wirklich da. O René.«
    Sie lehnte den Kopf an seine Brust und begann vor Glück zu weinen.
    An dem weißen Citroën stand der Fahrer stramm wie beim Militär und ließ die rechte Hand an die Mütze hochzucken. Sein breites, fast schwarzes, gutmütiges Negergesicht glänzte. Madame gefiel ihm vom ersten Blick an, nicht nur, weil sie so lange, blonde Haare hatte. Sie hatte auch gute Augen. Das war wichtig. Man muß nur in die Augen sehen, um zu wissen: Ist es ein guter Mensch oder ein schlechter?! Alles kann man verstecken unter Kleidern, Schminke und Puder, die Augen bleiben, wie sie sind und wie die Seele ist. Madame war ein guter Mensch.
    »Willkommen, Madame«, sagte der Neger in seinem singenden Tonfall, wenn er französisch sprach. »Es ist uns eine große Freude.«
    »Das ist der wichtigste Mann im Haus!« René lachte herzhaft. »Ohne ihn läuft nichts!

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