Das Mädchen und die Herzogin
mit mir auf die Jagd gehen. Wenn er alt genug ist, werde ich ihn an den Kaiserhof bringen und dort zum Pagen erziehen lassen.»
«Er muss getauft werden», wagte Marie einzuwerfen.
Der Herzog nickte. «Der Kaplan ist bereits unterrichtet. Wir werden eine kleine Feier veranstalten, unten in meinem Gemach. Ich will ihn Heinrich taufen, nach meinem Geburtsnamen. Und nach meinem Vater.»
«Niemals!»
Er sah sie an, und zum ersten Mal seit langem blitzte wieder so etwas wie Zorn in seinen Augen auf.
«Du vergisst, dass es
mein
Kind ist. Wenn ich wollte, könnte ich dich sonst wohin in die Verbannung schicken. Odernoch Schlimmeres tun. Er wird Heinrich heißen, und dabei bleibt es.»
Sabina vermochte nicht zu sagen, was sie mehr schmerzte: die Trennung von ihren Kindern oder von ihrem Geliebten. Viel zu kurz hatte ihr gemeinsames Glück gewährt, einen Winter nur, der ihr offenbart hatte, was Liebe ausmachte. Mit Tagen und Nächten, in denen sie erfahren hatte, wie rücksichtsvoll ein Mann mit einer Frau umgehen konnte, wie zärtlich und voller Achtung. Vor allem aber: wie erfüllend auch für eine Frau die körperliche Liebe sein konnte.
Für all das dankte sie dem Schicksal. Jetzt aber, wo Dietrich an der Seite des Kaisers weilte, fühlte sie sich einsamer denn je. Täglich musste sie mehr mit sich kämpfen, nicht in Schwermut zu verfallen und die Tage sinnlos verstreichen zu lassen. Zwar hatte Dietrich ihr beim Abschied geschworen, die Nähe zu ihrem Oheim zu nutzen und sich mit allen Mitteln für ihre Angelegenheit einzusetzen, aber das war ihr nur ein schwacher Trost gewesen.
Zumal sich in ihr ein hässlicher Verdacht mehr und mehr verdichtete. Warum hatte man keinen anderen zum Botschafter an den Kaiserhof berufen? Schließlich hatte Dietrich wie kein anderer Einblick in die Wirtemberger Verhältnisse und wäre in dieser Richtung viel sinnvoller eingesetzt gewesen. Hatte man Dietrich ganz bewusst von ihr weggeführt? Hatte man also ihre heimliche Liebschaft bemerkt? Wilhelm eher nicht, der hatte für solche Dinge keinen Blick, wohl aber dieser Leonhard von Eck. Eck ging ihr neuerdings aus dem Weg, und wenn sie sich trotzdem begegneten, traf sie sein prüfender, strenger Blick. Mehr als einmal schon hatte er Bemerkungen fallenlassen. Sie müsse sich in der prekären Lage, in der sich ihr Land und ihr Sohn befänden, umso verantwortungsvollerzeigen. Aller Augen im Reich seien auf sie gerichtet, als Fürstin ohne Fehl und Makel müsse sie sich zeigen. Reichlich unverschämt fand sie seine Ermahnungen. Einmal hatte er sie sogar offen aufgefordert, regelmäßiger die Gottesdienste zu besuchen.
In manchen Nächten, in denen sie sich schlaflos auf ihrem Laken wälzte, glaubte sie sogar noch Böswilligeres zu erkennen: Kam diesem Eck der Skandal um Ulrich nicht gerade recht, um Wirtemberg an sich zu reißen und einzubinden in das Herzogtum Baiern? Da würden ihre Ansprüche und die ihres Sohnes nur im Wege sein. Womöglich hatten die Baiern diese ganze Feuersbrunst erst angefacht, den unbedarften Stallmeister als Mittel in ihrem Intrigenspiel genutzt? Dazu würde auch passen, dass man Dietrich, der sich allzu offen für Sabina eingesetzt hatte, weit fortschickte und die Huttens, die längst auf einen Rachefeldzug drängten, immer wieder hinhielt. Vor allem aber, dass man in München nicht den Mumm besaß, ihre Kinder hierher, an die Seite ihrer Mutter, abzufordern.
An anderen Tagen wiederum schämte sie sich für diese Gedanken. Wenn Wilhelm sie hin und wieder zu sich an die Tafel lud, sich um sie kümmerte und sie über die neuesten Zeitungen unterrichtete, dann schalt sie sich eine Närrin voller Hirngespinste. Tat ihr Bruder denn nicht alles, um ihr zu helfen?
Seit Ende des Erntemonats rüstete er ein Heer, weit über tausend Reiter stark, und immer noch mehr der bekanntesten Geschlechter im Reich reihten sich ein. Sogar einen mächtigen Reiterverband aus der eidgenössischen Schweiz hatte man gewinnen können. Damit könne man Ulrich vom Erdboden hinwegfegen, hatte Wilhelm frohlockt, nur müsse man mit dem Rachefeldzug warten, bis der Kaiser den Wirtembergerendlich in die Acht erkläre. Dann werde man auch die Kinder aus Stuttgart holen.
Mitte September dann lud Wilhelm sie zu einem festlichen kleinen Abendbankett. Außer seinen Hofräten war auch die Familie Hutten erschienen. Wie üblich wurde zunächst ausgiebig gespeist und getrunken, bevor die Rede auf ernste Dinge kam. Als schließlich die
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