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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Ulrich. Ein Heer wie das unsrige herauszufordern! Das war kein Feldzug, das war ein Sonntagsspaziergang.»
    «Die Kinder!» Sie packte ihren Bruder bei den Schultern. Ihr Gesicht war aschfahl. «Was ist mit den Kindern?»
    «Es geht ihnen gut. Ein wenig verängstigt vielleicht, wegen des lauten Scharmützels, das wir auf der Festung veranstaltet haben. Aber sie sind gesund und munter. Vor allem unser Christoffel – was ist das für ein strammer Kerl geworden mit seinen vier Jahren.»
    «Ich will zu ihnen. Jetzt gleich.»
    «Immer langsam mit den jungen Pferden. Du kannst übermorgen mit mir reiten, wenn der Gesandte des Spanierkönigs eintrifft und die förmliche Übergabe stattfindet.»
    Sabina biss sich auf die Lippen. «Was hat Carlos hiermit zu tun?»
    «Er wird bald der neue Kaiser sein, wir können ihn nicht übergehen. Und jetzt entschuldige mich, Sabina. Ich will hinüber ins Badhaus und mich ein wenig entspannen.»
    «Warte – was ist mit Ulrich? Ist er – ist er tot?»
    Ihr Bruder lachte verächtlich. «Dieser Jammerlappen! Verdrückt hat er sich, still und heimlich, mitsamt den Goldschätzen. Durch einen Geheimgang, mitten im Sturm auf die Festung. Du solltest die Leute auf den Gassen hören. Die einen verfluchen ihn als Feigling, der sein Land im Stich gelassen hat, die anderen sind gerade froh, dass er sich endlich fortgemacht hat. Wie dem auch sei – uns ist das von Herzen wurscht. Das Land untersteht dem Bund, jetzt bestimmen wir die Geschicke!»
    «Was soll das heißen? Was ist mit Christoph? Er ist doch jetzt rechtmäßiger Regent.»
    «Das wird sich alles klären, lass das nur unsere Sorge sein. Bis übermorgen also, halt dich nach dem Morgenmahl bereit.»
    Sabina sah ihm nach. Wie ein siegreicher Feldherr hatte er sich aufgeführt, der eine Eroberung gemacht hatte. Erneut beschlich sie das Gefühl, dass sie als Herzogin und ihr Sohn als Thronfolger zu bloßen Zuschauern herabgesetzt wurden – die Fäden hielten andere in der Hand. Sie beschloss, noch vor ihrem Ritt nach Tübingen ein Schreiben an den Stuttgarter Landtag aufzusetzen, damit alles getan werde, ihrem Sohn das Land ungeteilt zu übergeben. Sie selbst würde erlittenen Schaden und Kosten nach und nach mit ihrem Vermögen ersetzen.
    Zunächst aber, was immer auch folgen mochte, dankte sie dem Herrgott, dass es ihren Kindern gutging und dass sie sie bald in die Arme schließen konnte.
    Die Schäden an den Häusern der Stadt hielten sich in Grenzen, wie Sabina zu ihrer Erleichterung bemerkte, als sie zur Huldigung in Tübingen einritten. Dennoch verfolgten die Menschen, die die verwinkelten Gassen säumten, ihren Zug eher mit grimmigen Gesichtern.
    Vor dem Rathaus nahmen sie auf der Ehrentribüne Platz, die nicht eben liebevoll mit Blumen geschmückt war. Eine Abordnung von Bürgern, feierlich in Wehr und Harnisch, hatte dort Aufstellung genommen, über ihren Köpfen wehte das bündische Banner mit dem roten Kreuz, das wie überall im Lande die wirtembergischen Wappen überdeckte. Damit auch der Einfältigste erkennt, dachte Sabina, wer fortan das Sagen hat.
    So schwer es ihr fiel: Sie musste sich gedulden und erst diese Zeremonie über sich ergehen lassen, ehe sie auf den Schlossberg zu ihren Kindern durfte. Nur mit halbem Ohr hörte sie dem Bürgermeister zu, dem nach Wilhelms salbungsvoller Begrüßungsrede und der Ansprache des kaiserlichen Gesandten das Wort übergeben wurde. Man werde von Herzen gern dem Baiernherzog und dem Schwäbischen Bund huldigen, hörte sie ihn sagen, jedoch unter der Voraussetzung, dass das Amt Tübingen samt Festung den beiden Herzogskindern verbliebe. In diesem Falle werde man sich in allem Weiteren untertänigst und gehorsam erweisen.
    «So soll es sein», beschied Wilhelm huldvoll dem Rat der Stadt. «Zumindest bis ein endgültiger Sitz für Anna und Christoph von Wirtemberg festgelegt ist.»
    Er erging sich in Einzelheiten zu den Rechten und Pflichten der Stadt, dann zur Versorgung der Herzogskinder, als deren Vormund er, zu Sabinas großer Verblüffung, sich selbst samt dem Kaiserenkel Carlos ausgab. Warum hatte man ihr davon nichts gesagt?
    «Und nun bitte ich um die Übergabe der Stadtschlüssel.»
    «Wir wollen keine fremde Herren», brüllte plötzlich ein junger Kerl und reckte die Faust. Umgehend wurde er von zwei Bütteln weggezerrt, danach waren keine Widerworte mehr zu hören. Fanfarenklänge setzten ein, und die Tübinger huldigten ohne große Begeisterung. Geduld, hätte Sabina ihnen am

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