Das Mädchen und die Herzogin
in solch vertraulichen Angelegenheiten meine Ansicht überhaupt kundzugeben, aber –» Er schlug die Handflächen zusammen und schien nach Wortenzu suchen. Sein Blick wurde dunkel wie der Himmel am Horizont.
«Was ich sagen möchte – seit bald vier Monaten seid Ihr unserem Herzog angetraut, vor Gott und vor den Menschen dieses Landes. Und was ist seither geschehen? Wie oft hat er sich mit Euch, der neuen Fürstin und Landesherrin, gezeigt? Vier Monate sind vergangen, und er hat es immer noch nicht für nötig befunden, mit Euch den Umritt durchs Land zu begehen, Euch von seinen Städten und Ämtern huldigen zu lassen – nicht einmal nach Waiblingen hat er Euch geleitet, Eurem ureigenen Wittum!»
Ärger stieg bei diesen Worten in Sabina auf, und verwundert stellte sie fest, dass er sich nicht nur gegen ihren Ehegenossen richtete, sondern auch gegen ihren Begleiter, der offenbar über alles bestens Bescheid wusste.
«Ach – und das hat sich bis in Euer fernes Schloss herumgesprochen?»
Sie konnte sich den schnippischen Tonfall nicht verkneifen. Dietrich sah sie erstaunt an, ohne zu antworten.
«Dann wart Ihr vielleicht auch dieser ehrenwerte Freund, dieser große Unbekannte, der mich in seinem Schreiben vor Ulrichs Jähzorn warnte?»
«Eine Warnung? Von einem Unbekannten?»
Das Erstaunen auf Dietrichs Miene verwandelte sich in Erschrecken.
«Glaubt mir, Euer Liebden, ich habe damit nichts zu schaffen. Wenn ich Euch etwas zu sagen habe, so tue ich dies von Angesicht zu Angesicht. Aber – worum um Himmels willen ging es in diesem Schreiben?»
Sabina wurde unsicher. «Ach, nicht der Rede wert. Vergessen wir das. Ich denke, wir sollten zurückreiten. Es sieht nach Regen aus.»
«Wie Ihr möchtet, Herrin. Nur eines noch: Versteht mich recht – wie Ihr als Mann und Frau zueinander steht, geht nur Euch selbst etwas an. Niemals würde ich mir erlauben, Euch hierzu Ratschläge zu erteilen. Aber Ihr seid nicht die Gattin irgendeines Handwerksmeisters oder Dorfmüllers. Als Herzogin dieses Landes habt Ihr gewisse Pflichten und Rechte. Und so, wie Herzog Ulrich Euch bislang bei Hofe eingeführt hat, ist es nicht rechtens. Das alles ist einer Fürstin nicht würdig.»
Er erhob sich und nahm ihre Hand. Dabei beugte er bittend das Knie: «Euer Liebden, meine gnädige Fürstin – erlaubt mir, einmal mit Herzog Ulrich offen über diese Dinge zu sprechen.»
«Nein! Niemals!» Ihre Stimme war lauter als beabsichtigt. «Wenn Ihr nicht unserer beider Freundschaft verletzen wollt, dann lasst das sein.»
«Ihr seid sehr stolz. Aber – wie Ihr wollt.»
Schweigend saßen sie auf, schweigend ritten sie bergab. Als sie das Rotebildtor erreichten, begann es zu tröpfeln. Sabina zog sich ihre Kapuze übers Haar. Ja, vielleicht war sie stolz, vielleicht gar zu stolz. Aber sie hätte es als beschämende Niederlage empfunden, wenn nach so kurzer Zeit ihrer Ehe bereits ein Außenstehender für sie in die Bresche gesprungen wäre. Nein, sie selbst musste diese Mauer, die Ulrich zwischen sich und ihr errichtet hatte, einreißen. Hatte sie denn je ernsthaft versucht, ihrem Gemahl vertrauter zu werden, ihm als Frau, als Eheweib zu zeigen, dass sie mit ihm als Mann einverstanden war? Hatte sie nicht stattdessen zu verstehen gegeben, dass sie, als bairische Fürstentochter aus dem Hause Wittelsbach, jeden Landgrafen lieber zum Manne genommen hätte als diesen krausköpfigen Herzog von Wirtemberg? Sie war mit ihm verheiratet, punctum, und es lag an ihr, das Beste daraus zu machen.
In Kürze würde Sankt Ulrichstag sein, der Namenstag des Herzogs. Da würde sie ihm ein hübsches Geschenk machen. Sie wusste auch schon, welches.
8
Sabina faltete das Tuch auseinander und betrachtete zufrieden die glänzenden silbernen Sporen. Wunderbar hatte der Messerschmied gearbeitet, ganz nach ihren Anweisungen, und herausgekommen war ein richtiges Kleinod: Seitlich waren die wirtembergischen Hirschstangen eingraviert, an jeder Spitze der Rädchen glitzerte ein winziger Rubin. Sie wusste ja längst um die Eitelkeit ihres Gemahls und dass er selbst beim Reiten Wert auf beste Ausstattung und Kleidung legte. Über dieses Geschenk zum Namenstag würde er sich gewiss freuen. Zumal sie es ganz aus eigener Schatulle bezahlt hatte.
So überraschte sie ihn am Morgen des 4. Juli noch vor dem Gottesdienst. Als der Kammerdiener sie in Ulrichs Audienzzimmer führte, saß der Herzog noch immer bei der Morgensuppe und sah recht unausgeschlafen aus. Unwillig
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