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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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einem friedlichen Nebeneinanderher führen können. Nein, sie gingen aneinander hoch, schlimmer als Hund und Katze! Inzwischen trug Sabina so viel Wut und Verbitterung in sich, dass sie es bei ihren Streitigkeiten immer weniger vermochte, Haltung und Demut zu bewahren, sondern ebenfalls laut wurde. Und so geschah es nicht selten, dass Ulrich in seinem unbändigen Zorn die Hand gegen sie erhob.
    Sabina konnte sich nicht entsinnen, dass ihr Vater jemals ihre Mutter geschlagen hätte. Oder war ihnen das als Kinder nur verborgen geblieben? Der Mutter jedenfalls hatte sie von ihrem Unglück nie wieder berichtet, doch irgendeinem Menschen musste sie ihr Herz ausschütten, und so waren es Wilhelm und Ludwig, denen sie in ihrer bittersten Not hin und wieder ein paar Zeilen schrieb. Zu guter Letzt hatten die beiden Brüder sogar beim Herzog interveniert, in zwei getrennten Schreiben. Indessen hatten deren höfliche Ermahnungen nichts genutzt, im Gegenteil: Am selben Tag noch, an dem die bairischen Kuriere erschienen waren, hatte Ulrich sie in seine Gemächer befohlen, die Diener hinausgeschickt und ihr die Briefrollen zu Füßen geschleudert.
    «Nie wieder wirst du mich bei deinen gottverdammten Brüdern anschwärzen», hatte er wutentbrannt geschrien und ihr mit der flachen Hand rechts und links so hart ins Gesicht geschlagen, dass sie unglücklich gestürzt und ihr Arm aus dem Schultergelenk gesprungen war. Diesen Schmerz würde sie nie vergessen. Einer Ohnmacht nahe war sie gewesen, wiesie da zusammengekrümmt auf dem Boden lag, doch Ulrich hatte sogar noch mit dem Fuß gegen sie getreten und gedroht, diese Prügel seien nur ein Vorbote – wenn sie weiterhin solch bösartige Verleumdungen in die Welt setze, schlage er sie tot.
    Dann hatte er sie allein gelassen, bis endlich ein Kammerdiener gekommen war und sie zum Hofmedicus gebracht hatte. Etliche Wochen noch hatte sie den Arm in einer Schlinge tragen müssen, und ausgerechnet da war ihr im Burghof Dietrich Speth über den Weg gelaufen – ausgerechnet er, den sie seit ihrem Schwächeanfall im Speth’schen Hause gemieden hatte wie die Kellerassel das Licht. Mit offenem Mund war Dietrich mitten im Burghof stehengeblieben, hatte sie und ihren verbundenen Arm angestarrt, war dann auf sie zugelaufen. Voller Scham hatte sie sich umgedreht und war ins Schloss zurückgerannt, so schnell sie konnte. Am besten war, sie würde ihm nie mehr wiederbegegnen, denn dass sie damals in Dietrichs Arme gefallen war, hatte tagelang für Klatsch gesorgt und für eine schmerzhafte Maulschelle seitens Ulrichs.
    Das war kurz nach Weihnachten gewesen, dem Fest der Liebe. Inzwischen war es März. Als sich an einem der ersten milden Tage die Sonne vors Fenster schob und leuchtende Kringel auf die Wandteppiche zauberte, glaubte Sabina in ihrer Kemenate zu ersticken. Sie packte ihr Hündchen und eilte die Treppen hinunter in den Hofgarten. Doch auch dort: Mauern und Wände, verschlossene Pforten und Tore, nirgendwo reichte der Blick weiter als zwei, drei Steinwürfe weit.
    Ulrich war weit weg, und sie fasste einen Entschluss. Sie würde die Gelegenheit nutzen, um nach Heidelberg zu reisen, zu ihrer Schwester. Um wie vieles glücklicher hatte es Sibille doch mit ihrem pfälzischen Kurfürsten getroffen. «Ludwigder Friedfertige» wurde er überall im Reich genannt. Seine fürstliche Gemahlin behandelte er zuvorkommend und mit Respekt. Zwar hatte Ulrich Sabina seit jenem Sturz nie wieder geschlagen – offenbar schämte er sich sogar der Tat; dem Doctor Sauerbruch hatte er mehrmals versichert, Sabina sei über ihr Hündchen gestolpert   –, doch dass Ulrich wirkliche Reue empfand, konnte Sabina kaum noch glauben.
    «Der Herzog wird nicht eben erfreut sein, wenn Ihr ohne seinen Verlaub loszieht», wandte Lioba ein, als sie von Sabinas Reisevorhaben erfuhr. «Es verstößt gegen jegliche Etikette.»
    «Das ist mir gleich. Er kommt und geht, wie es ihm passt – wie soll ich da wissen, wann er aus Tübingen zurückkehrt?»
    Dann ließ sie Frau von Westerstetten rufen.
    «Schickt jemanden zur Remise, man soll für morgen eine Reisekutsche richten. Und bestellt in der Küche ausreichend Wegzehrung für Lioba und mich, für den Kutscher und zwei Trabanten. Ich will meine Schwester am Heidelberger Hof besuchen. Morgen soll es losgehen, zur elften Stunde. Und Ihr packt bitte meine Reisekiste mit Leibwäsche für eine Woche.»
    Die Frau des Hofmeisters glotzte sie an. «Aber Ihr könnt doch nicht so

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