Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
mich heut noch, wenn ich denke, was ihrer Familie zugestoßen ist. Aber jetzt ist sie fort, und keiner weiß, was aus ihr wird. Bei den Nachbarn hingegen wissen wir genau, woran wir sind.»
    «Niemals wird sich Marie zum Schlechten verändern. Außerdem werd ich dereinst für euch alle sorgen können, was brauch ich da die Mitgift dieser eitlen, blöden Ziege?»
    «Hör auf, so zu reden! Du weißt doch gar nicht, was Verantwortung und Sorge bedeuten, du Grünschnabel. Hedwig ist ein rechtschaffenes Mädchen, und dass ihre Eltern einiges an Vermögen haben, kommt noch hinzu.»
    «Und Marie? Ist sie etwa nicht rechtschaffen? Habt ihr nicht selbst gesagt, die wertvollste Mitgift einer Frau sei ihr Fleiß, und Marie habe davon mehr als alle andern Mädchen im Dorf? Habt ihr das nicht gesagt?»
    «Das war früher. Sie kann ja nichts dafür, aber inzwischen ist sie eine Jungfer Ärmlich, wie es ärger nicht geht. Sieh dir doch bloß ihre verlauste Verwandtschaft im Schönbuch an.»
    «Vater! Wie kannst du nur so gemein reden.» Zum ersten Mal war er gegen seine Eltern laut geworden, und sein Vater hatte prompt drohend die Hand erhoben.
    «Kein Wort mehr! Und deine Ausflüge in den Schönbuch haben hiermit auch ein Ende, ein für alle Mal.»
    Seither war dieses Thema nicht mehr angerührt worden. Doch heute nach dem Essen würde Hedwig mit ihren Eltern herüberkommen. Vitus legte sein Messer beiseite und starrte auf die Maserung des grobgezimmerten Tisches.
    «Nun iss schon», ermunterte ihn seine Mutter freundlich, woraufhin Vater ihr einen missbilligenden Blick zuwarf.
    «Was soll dieser Trotz? Wenn du dich nachher gegen Hedwig nicht freundlicher zeigst, werde ich künftig andere Saiten aufziehen.»
    Vitus biss sich auf die Lippen. Warum nur war er nicht einfach auf und davon im Frühjahr? War das nun Feigheit oder Vernunft? Er hatte seine Zukunft nicht aufs Spiel setzen wollen, sein Auskommen – schließlich war Marie in ihrem erbärmlichen Dorf mehr denn je auf ihn angewiesen. Und heiraten konnte er sie erst, wenn er auf eigenen Beinen stand.
    Lustlos kaute er auf seinem Fleisch herum, als plötzlich ein Lächeln auf seinem schmalen Gesicht erschien. Das war die Lösung! Auch Hedwig durfte er selbstredend erst heiraten, wenn seine Lehrzeit vorüber wäre. Er musste seine Eltern und das Mädchen also nur hinhalten. Allerdings durfte es zu keiner Heiratsabrede kommen, denn das war ein Schwur vor Gott, den zu brechen einer schweren Sünde gleichkam. Was das betraf, würde er das Mädchen und alle andern geschickt vertrösten müssen, und zwar so, dass keiner Verdacht schöpfte.
    Versonnen sah er zum einzigen Fenster ihres Häuschens, hinter dessen ölgetränktem Papier die runde Scheibe der Sonne zu erkennen war. Darin erschien ihm plötzlich Maries zartes, herzförmiges Gesicht, ihr Haar leuchtete wie reines Gold. Und um ihren Mund lag dieses leise, verträumte Lächeln. Gleich morgen würde er beim Dorfschreiber einen Brief aufsetzen lassen und ihr darin alles so gut es ging erklären. Einer der durchziehenden Weinhändler würde das Schreiben schon mitnehmen, gegen einen guten Obolus. Hungrig langte er in den Krauttopf.
    «Na also.» Sein Vater schlug ihm auf die Schulter. «So gefällst du mir schon besser. Und zur Feier des Tages hol ich uns nachher meinen besten Tropfen aus dem Weinkeller.»

11
    Bald ein Jahr war sie nun schon Herzogin von Wirtemberg. Sabina wusste: Längst wurde ihr Ehestreit vom Hofgesinde in ganz Stuttgart herumgetratscht, und es fiel ihr täglich schwerer, erhobenen Hauptes an den Menschen hier vorüberzugehen. Sie fühlte sich eingesperrt, an die Kette gelegt wie einer der Tanzbären auf den Jahrmärkten. Wie gut hatten es doch ihre Vorfahren gehabt, die beständig unterwegs waren und nicht ihr Leben lang in einer einzigen Residenz festklebten, um dort jeder Grille, jedem Drangsal des Ehegenossen ausgesetzt zu sein. Von Burg zu Burg zogen einst die Fürstinnen mit ihrem Hofstaat, nicht in engen, holprigen Kutschen, sondern auf edlen Pferden, die Nase im Wind, sie bestimmten selbst das nächste Ziel, während der Regent zu Feldzügen oder Verhandlungen unterwegs war. Sogar ihre Mutter hatteeinmal, als sie vom Leben der Alten erzählte, sehnsuchtsvoll geseufzt: Die Frauen bei Hofe hatten dazumal keinen, der ihnen ständig dreinredete; stattdessen wurden sie verehrt und in Minneliedern besungen.
    Das Übel zwischen Ulrich und ihr war: Sie waren sich nicht etwa gleichgültig – das hätte zu

Weitere Kostenlose Bücher