Das Mädchen und die Herzogin
sie sich vorkam neben dieser ehrfurchtgebietenden Frau, so jämmerlich und klein. Eindeutig versagt hatte sie, in ihrer neuen Lebensaufgabe als Landesherrin und Ehegattin – und keinem in dieser ehrenwerten Tischgesellschaft war das entgangen.
Nachdem der Türknecht ihnen das Zimmer aufgesperrt und sich zurückgezogen hatte, wollte auch Sabina sich verabschieden.
«Nicht so eilig, meine Kleine. Setzen wir uns noch ein wenig an den Ofen.»
«Gern», stotterte Sabina. Dabei wäre ihr alles andere lieber gewesen, als ihrer Mutter Rede und Antwort zu stehen. So machte sie kurzerhand den Versuch, das Gespräch selbst in die Hand zu nehmen.
«Warum ist Ludwig nicht mitgekommen? Gab es Streit mit Wilhelm?»
Ihre Mutter lächelte. Im milden Schein des einzigen Leuchters im Raum wirkte ihr Gesicht jünger.
«Nun ja – Ludwig wird langsam erwachsen. Er will sich nicht mit einem Grafentitel und viertausend Gulden Apanage aufs Jahr abspeisen lassen. Und jetzt fordert er eine Mitregentschaft. Oder zumindest den dritten Teil von Baiern als eigenes Herzogtum, genauer gesagt, Landshut mit Niederbaiern. Seitdem sind die beiden wie Hund und Katze.»
«Aber die Regentschaft steht doch allein Wilhelm zu?» Sabina war froh, ein Thema zur Ablenkung gefunden zu haben.
«Nach dem neuen Erstgeburtsrecht deines Vaters ja. Aber was mich betrifft, stehe ich ganz auf Ludwigs Seite. Als Kaisertochter habe ich nicht einen Baiernherzog geheiratet, um dereinst Grafen und Bastarden das Leben zu schenken!» Sie kräuselte verächtlich die Lippen. «Zumal sich Wilhelm ganz offensichtlich mehr den höfischen Freuden der Kunst, der Jagd und des Tafelgenusses widmet als dem Regieren unseres Landes. Nein, nein, das muss ein Ende haben. Erst recht nach dem, was er sich im letzten Jahr geleistet hat!»
«Was hat er denn getan?»
«Ach Gott, Kind, hat dir Ludwig denn nichts davon geschrieben? Nicht lange nach deiner Hochzeit, da kam alles heraus: Anstatt sich endlich nach einer standesgemäßen Braut umzusehen, hat Wilhelm sich mit irgendeiner Jungfer eingelassen, und letzten Sommer dann kam Georg auf die Welt,was für ein Skandal! Eigentlich ein hübsches Bürschchen, der Junge, aber eben ein Bankert. Sobald er der Ammenpflege entwachsen ist, werden wir ihn an den Kaiserhof bringen und dort zum Pagen erziehen lassen.»
Sabina war mehr als überrascht. So leichtfertig hätte sie Wilhelm niemals eingeschätzt.
«Andererseits», fuhr ihre Mutter fort, «habe ich Wilhelm mit dieser Geschichte sozusagen in der Hand. Ich werde ihn schon dazu bringen, dass er Ludwig mitregieren lässt. Jetzt», sie kicherte fast, «bin ich am Zug. Hast du den jungen Doctor gesehen?»
Sabina nickte.
«Den hab ich ins Haus gebracht. Er hat alles, was Wilhelm fehlt: Er ist willensstark, ehrgeizig und machthungrig. Und Wilhelm beginnt ihm zu vertrauen. Du wirst sehen, eines Tages wird Leonhard von Eck der wichtigste Ratgeber am bairischen Hofe sein.»
Eine Mischung aus tiefster Bewunderung für ihre Mutter und noch größerer Scham über die eigene Hilflosigkeit stieg in Sabina auf. Wie energisch die Herzoginmutter alles in Angriff nahm, ja sogar in die Regierungsgeschäfte eingriff! Und dabei war auch sie nur eine Frau.
Kunigunde nahm ihre Hand. «Doch über diese Dinge wollte ich mit dir eigentlich gar nicht sprechen. Um dich sorge ich mich. Ich will endlich wissen, was hier vorgefallen ist.»
Sabina schluckte. Jetzt nur nicht zu heulen anfangen wie ein kleines Kind. Erst stockend, dann immer heftiger brach schließlich alles aus ihr heraus, jede Demütigung, jeder Schmerz, der ihr in diesem ersten Jahr ihrer Ehe widerfahren war.
Am Ende lag sie in den Armen ihrer Mutter, das Gesicht nass von Tränen.
Kunigunde strich ihr durchs aufgelöste Haar.
«Vergiss nie, dass deine Brüder und ich immer hinter dir stehen. Morgen werden wir mit Ulrich ein Gespräch führen, und zwar ein Gespräch, das ihm nicht gefallen wird. Sogar mein Bruder, der Kaiser, hat seinem Gesandten ein Schreiben in dieser Sache mitgegeben. Aber auch du, meine Tochter, musst stärker werden.» Sie seufzte. «Vielleicht hab ich ja einen Fehler gemacht. Vielleicht habe dich zu wild und zu frei aufwachsen lassen. Werde erwachsen und halte durch, als eine wahre Fürstin!»
12
Nach der Aufwartung der Wittelsbacher kehrte tatsächlich Ruhe ein in Sabinas Eheleben. Galant und untadelig zeigte sich Ulrich ihr gegenüber fortan in Gesellschaft, verschlossen allerdings, wenn sie sich, was selten genug
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