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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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streng, dass er mir keinen freien Tag gönnt. Doch im zweiten Jahr wird er mir das nicht weiter verweigern können, und so verspreche ich dir, im nächsten Frühjahr zu kommen. Und eines Tages dann werde ich ausgelernt haben und dich holen kommen – hab nur weiterhin Geduld, liebste Marie, und halte mir die Treue! Vertrau mir, dass ich niemals eine andere zur Frau will als nur dich!
    Nun bleibe allzeit gesund, Gott schütze dich! Dein Vitus, in allergrößter Sehnsucht nach dir.
    (Aufgeschrieben in Sorgfalt vom Schreiber der Pfarrei zu Großheppach im Remstal, Carolus Munterking.)
     
    Erschreckt sah Muthlein sie an, denn in ihren Augen standen Tränen. Doch es waren Tränen der Freude und der Erleichterung.
    «Dann ist dieser Vitus dein Bräutigam, und ihr habt euch die Ehe gelobt?»
    Marie nickte. «Wir waren noch Kinder damals, aber es war uns ernst. Und dann musste ich fort aus dem Remstal. Fort von Vitus.»
    «Dann vertraue auf Gott und auf euer Versprechen, Marie.» Der Pfarrer nahm ihre beiden Hände in die seinen und lächelte. «Ein bisschen kenne ich deine Geschichte – deine Schwester und du, ihr seid als Waisen hierher in die Obhut deines Oheims gekommen. Und ich sehe auch, dass es euchnicht allzu gut ergeht. Aber du bist gesund, und du bist jung, hast noch das ganze Leben vor dir. Es wird so kommen, wie dein Vitus geschrieben hat.»
    «Meint Ihr wirklich, Herr Pfarrer? Es ist so schrecklich bei Berthe und den beiden Stiefbrüdern. Wenn Nele nicht wär – ich wär längst auf und davon.»
    «Versuch ein wenig nachsichtig zu sein mit deinen Zieheltern. Sie zählen zu den Ärmsten im Dorf, da fällt es oft schwer, freundlich und gerecht zu sein.»
    «Wisst Ihr auch –?» Sie stockte. Beinahe hätte sie ihre arme Base erwähnt – dabei wusste sie doch, wie unnachgiebig die Heilige Kirche es verdammte, wenn jemand Hand an sich legte. Aber dieser junge Pfarrer war so ganz anders als der alte und als der Pfarrer im Heimatdorf.
    Wieder lächelte Muthlein sie an. «Von Irmel? Gewiss. Seit ich davon weiß, bete ich jeden Tag für ihre Seele.»
    «Ist das wahr? Dann glaubt Ihr also nicht, dass sie auf ewig verdammt ist?»
    «Aber nein. Was sie getan hat, war eine große Sünde. Aber sie war noch ein Kind, und sie hat es in großer Verzweiflung getan. Gott ist Gnade, und Gott ist Vergebung, vergiss das nicht.»
    «Dann wird ihre Seele also Ruhe finden?»
    «Ja.»
    Marie begann haltlos zu weinen. Ihr war, als würde ihr, zum zweiten Male heute schon, eine unbeschreibliche Last vom Herzen genommen. Unter Schluchzen gestand sie Muthlein, wie wenig sie unternommen hatte, ihre Base zu retten und dass ihr diese große Schuld oft nächtelang den Schlaf raubte. Der Pfarrer wartete geduldig, bis sie sich beruhigt hatte, dann reichte er ihr ein Tuch zum Trocknen der Tränen.
    «Du trägst keine Schuld an Irmels Tod, Marie. Mach dirkeine Vorwürfe. Bete für Irmel, das allein wird ihrer Seele helfen.»
    «Ich bin Euch so dankbar», stotterte Marie und strich den Brief glatt. Sie seufzte. Das dort unten musste
Vitus
heißen, ganz bestimmt. Lautlos formten ihre Lippen die Buchstaben.
    «Möchtest du vielleicht lesen lernen?»
    «Warum sollte ein Bauernmädchen wie ich lesen lernen?» Ihre Verlegenheit wurde noch größer.
    «Warum nicht? Könnte dein Vitus schreiben, hätte er nicht die Dienste eines Dorfschreibers in Anspruch nehmen und teuer bezahlen müssen. Und vielleicht», er zwinkerte ihr zu, «hätte er dir noch ein wenig mehr von seiner Liebe geschrieben.»
    «Vitus – meinetwegen. Aber er ist auch ein Junge.»
    «Ob Junge oder Mädchen, Mann oder Weib, das ist doch gleich. Alle sollten schreiben können, dann wäre die Welt um einiges leichter zu verstehen.»
    Jetzt musste Marie laut lachen. «Als ob so etwas möglich wäre! Das ist doch viel zu verzwickt für unsereins.»
    «Ist es nicht! Gib acht   –» Jetzt strahlte der Pfarrer wie ein kleiner Bub. «Ich werde in eurem Dorf auch als Schulmeister meine Dienste anbieten, wenigstens den Winter über, wenn ihr nicht aufs Feld müsst. Ich habe alles schon durchdacht. Also, Marie: Ich zähle auf dich. Ich bin mir sicher, du lernst das Lesen und Schreiben in einem einzigen Winter.»
    Beim nächsten Gottesdienst legte Casimir Muthlein der Gemeinde seine Pläne dar, im Dorf privatim eine deutsche Schule abzuhalten, und zwar für Knaben wie für Mädchen. Unterricht sei jeden Morgen eine Stunde lang, zumindest bis Lichtmess. Danach werde man weitersehen. Mit dem

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