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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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von sich.
    «Was soll das werden, Vitus? Wir sind nicht Mann und Frau, wir dürfen uns nicht versündigen.»
    Sie begann zu weinen.
    Erschrocken richtete sich Vitus auf. «Hab ich dir wehgetan?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Es war wunderschön.»
    Mit zittrigen Fingern brachte sie ihre Kleider in Ordnung. Sie schloss die Augen. Ganz langsam nur beruhigte sich ihr Herzschlag. Noch immer spürte sie jede Berührung seiner Hände.
    «Ich liebe dich auch, Vitus. Aber wir dürfen das nicht tun. Was, wenn ich ein Kind bekäme?»
    «Dann», sein Atem ging immer noch schwer, «dann könnte mein Vater uns nicht mehr im Wege stehen.»
    «Willst du, dass unser Leben von Anfang an unter einem schlechten Stern steht? Nein, lass uns warten damit. Lern fertig bei deinem Meister, und dann hol mich weg hier. Wie wir es uns einst versprochen haben.»
    «Du hast ja recht.» Er nahm ihre Hand und legte sie an sein Herz. «Spürst du, wie es rast? Ich schwöre hiermit dir wie auch unserem Herrn im Himmel, dass es nur für dich schlägt. Dass ich dir treu sein werde bis zum Tage unserer Hochzeit. Schwörst du mir dasselbe?»
    «Ja. Ich schwöre bei Gott und der Jungfrau Maria, dass ich nur dich zum Mann will.»
    «Marie?» In seinen Augen glitzerten Tränen. «Jetzt sind wir uns versprochen. Auf immer.»
    Hand in Hand lagen sie im Gras, in der milden Frühlingssonne, und vergaßen die Zeit und die Welt um sich herum. Irgendwann begannen sie zu erzählen, ein jeder von seinem Alltag. Als Marie berichtete, dass sie bei ihrem Pfarrer lesen und schreiben lernte, sah er sie halb belustigt, halb argwöhnisch an.
    «Was musst du lesen können – wir sind doch nicht bei den vornehmen Herrschaften?»
    «Aber jeder Mensch sollte lesen und schreiben können, ob vornehm oder nicht. Auch du, Vitus.»
    «Hm.» Er blickte einem Schmetterling nach, der über die Wiesenblumen schwebte. «Vielleicht wär es gar nicht so falsch, wenn ich lesen könnte. Eigentlich sollte ich darüber gar nicht reden, aber überall im Remstal versammeln sich neuerdings die Bauern und Winzer, um sich zu beratschlagen. Ein paar Bürger sind auch darunter, es ist alles ganz im Geheimen. Ich war ein paarmal dabei, es geht um unsereWald- und Weiderechte, die uns nach und nach genommen werden, und um die immer ärgeren Flurschäden durch die hohen Herrschaften. Jede dieser Gruppen nennt sich Ratschlag, und damit wir untereinander wissen, was die anderen Ratschläge vorhaben, tauschen wir geheime Botschaften aus, bis hinüber nach Waiblingen und Backnang. Ich wünschte, ich könnte diese Zeitungen mit eigenen Augen lesen, anstatt sie mir von den Kurieren vorlesen zu lassen.»
    Marie runzelte besorgt die Stirn. Auch hier im Schönbuch gingen Gerüchte über Geheimversammlungen der Bauern, ja sogar über geplante Aufstände, doch bislang hatte sie das keinen Deut interessiert. Der Lange Gilgen sammelte in ihrem Dorf aufgebrachte Männer um sich, nachdem bekanntgeworden war, dass die Vögte in den Dörfern einmächtig Schultes, Richter und Gemeinderechner bestimmten, ohne, wie früher üblich, die Dorfversammlung zu befragen.
    «Aber – ist das alles nicht furchtbar gefährlich?», fragte sie.
    «Ach was!» Vitus lachte. «Die Vögte und Amtsleute haben doch keine Ahnung, was da hinter ihrem Rücken geschieht. Und wer beim Ratschlag mitmacht, schweigt wie ein Grab.»
    «So wie du!»
    «Das ist was anderes. Mit den eigenen Frauen dürfen wir reden, sofern wir ihnen vertrauen. Und du bist ja meine Frau.»
    Er küsste sie zärtlich. Wie gern hätte sich Marie erneut diesen wunderbaren Empfindungen ergeben, doch die Sonne versteckte sich bereits hinter den Baumwipfeln, und es wurde schlagartig kühl. Sie riss sich los.
    «Es ist spät. Rasch, hilf mir, Futter für die Hasen zu sammeln. Wenn ich mit leeren Händen zum Nachtessen heimkomme, ergeht’s mir übel.»
    Sie traten aus dem Wald, nun in gebührendem Abstandzueinander, und rupften hastig Löwenzahn am Wegesrand. Niemals hätte Marie verraten, dass die Blätter für den eigenen Topf bestimmt waren, denn einen Stallhasen besaßen sie längst nicht mehr. Da erstarrte sie: Ein Gestalt schlenderte den Weg entlang – ausgerechnet Pfarrer Muthlein! Sie war schon drauf und dran, hinter ein Gebüsch zu huschen, da winkte er ihr zu.
    «Heiliger Urban, der Pfaffe», entfuhr es Vitus.
    «Sprich nicht so von ihm.» Marie spürte deutlich, wie sie puterrot anlief. Ob Muthlein ihr ansah, was sie in den letzten Stunden mit Vitus im Wald getan

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