Das Mädchen und die Herzogin
sich. «Die Herren können sich nun entfernen. Einen schönen Tag noch.»
Als die drei sich endlich zur Tür hinausgedrängelt hatten,setzte sich Sabina zu Fortunatus auf die Ofenbank und starrte zu Boden. Sie schwankte zwischen Lachen und Heulen. Wie einfach es gewesen war, diese hochrangigen Ratgeber mit ihrem erfundenen Brief zu übertölpeln! Andererseits bezweifelte sie, dass ihr Vorstoß Erfolg haben würde.
Eine Stunde später tauchte die Hofmeisterin bei ihr auf. Sie hielt ein in Schweinsleder gebundenes Buch in der Hand, und über ihrem wie üblich griesgrämigen Gesicht lag ein Hauch von Verlegenheit.
«Verzeiht die Störung, Herrin, aber ich dachte, das hier könnte für Euch von Interesse sein. Jetzt, wo bald der Herzog wieder heimkehrt.»
Misstrauisch nahm Sabina das Buch entgegen und sah auf den Titel.
Traktat über die natürliche Schönheit der Damen bei Hofe
, las sie und musste wider Willen lachen. Auf gut Glück schlug sie eine Seite auf.
So trachte die anmutige Dame bei Hofe danach, ihren Busen fest und ihre Taille geschmeidig zu halten, Arme und Beine schlank, Hüfte und das Hinterste hingegen rund und üppig. Aufs aller Angenehmste wirken rote Lippen und rosige Wangen auf heller Haut, und es ist nicht nur erlaubt, vielmehr erwünscht, der eigenen Natur mit dem richtigen Maße an Puder, Paste und Farbe nachzuhelfen. Blondes, welliges Haar ist auf jeden Fall glattem braunem oder gar schwarzem vorzuziehen. Da vom natürlichen Bleichen des Haars an der Sonne abgeraten werden muss, der Gesichtshaut wegen, wirken am nachhaltigsten Waschungen aus Zitronen- wie Rhabarbersaft sowie Mixturen aus Schwefel und Safran. Um den Effekt der hohen, gewölbten Stirn zu schaffen, wird der Haaransatz ausgezupft, ebenso die Brauen bis auf zwei dünne Bögen. Ein Hauch von Rosa auf Wangen, Ohren und Brustwarzen, sofern der Anlass das ausgeschnittene Mieder erlaubt, vermittelt den Eindruck von Gesundheit und zieht die Blicke an.
Sabina schlug das Buch zu und schleuderte es der von Westerstetten vor die Füße.
«Da steckt der brave Erbmarschall dahinter, hab ich recht? Ich soll mich wohl zur Liebesdienerin meines Gemahls ausstaffieren? Richtet dem Thumb aus, falls es solcherlei Traktate auch über Männer gibt, kann er mir die schicken. Das hier könnt Ihr gleich wieder mitnehmen. Oder nein.» Sie bückte sich und hob das Buch auf. «Ich will’s behalten. Es muss ja nicht für Herzog Ulrich sein, wenn ich den einen oder andern Ratschlag daraus beherzige, oder?»
Sie verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln.
«Und noch etwas, Hofmeisterin. Ich habe gehört, dass Ihr bereits nach einer geeigneten Erzieherin für die kleine Anna Ausschau haltet: Die Mühe könnt Ihr Euch sparen. Ich werde meine Tochter selbst erziehen.»
Wenige Tage später war Ulrich zurück. Sabina hatte schon geschlafen, da erwachte sie vom Knarren des Türriegels und leisen Schritten. Erschreckt richtete sie sich in der Dunkelheit auf.
«Darf ich eintreten?»
Es war tatsächlich Ulrich. Allerdings hatte er noch nie um Einlass gebeten, und seine Stimme klang niedergeschlagen.
«Ja», erwiderte sie. Er war wohl gerade erst angekommen, sie roch deutlich den Regen und Staub der Landstraße in seinen Kleidern. Warum schlich er hier mitten in der Nacht herein? Hatte er von ihrem Gespräch mit den Hofräten erfahren? Ihr Körper verspannte sich, während er sich langsam Stiefel, Beinkleider und Wams abstreifte. Dann schlüpft er neben sie unter die Decke, lag auf dem Rücken, ohne sie zu berühren.
«Es war furchtbar», hörte sie ihn mit rauer Stimme flüstern. «Ganz furchtbar. Alles umsonst.»
«Das tut mir leid», entgegnete sie, und es war nicht einmal gelogen. Schweigend lagen sie nebeneinander. Plötzlich glaubte sie ein Schluchzen zu hören, zugleich drehte Ulrich sich ihr zu und bettete seinen Kopf an ihre Schulter. Die feuchten Locken berührten ihre Wange.
«Nimm mich in den Arm. Bitte!»
Sie verstand ihn kaum, so leise sprach er. Verunsichert legte sie ihm den Arm um die Schultern. Wie ein Hundejunges, das Schutz bei der Mutter sucht, drückte er sich an sie. Und tatsächlich begann er jetzt zu wimmern: «Hilf mir, Sabina. Tröste mich. Du bist so stark, stärker als jede Frau, die ich kenne.» Wieder dieses unterdrückte Schluchzen. «Ich muss etwas unternehmen, sonst geht das ganze Land zugrunde. Mein schönes Wirtemberg.»
Eine Welle des Mitleids überrollte Sabina. Sie streichelte ihm beruhigend über den Rücken,
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