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Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Titel: Das Mädchen von San Marco (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Hickman
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ganz und gar nicht! Wenn irgendjemand etwas so Außergewöhnliches ausfindig machen kann, dann Ihr, das wissen wir alle. Ihr habt für Parvish die Krone aller Wunderkammern geschaffen, die beste in ganz England, das ist allgemein bekannt.«
    »Die beste in England? Die beste in Europa!«
    »Die beste in Europa«, bestätigte Paul beschwichtigend. »Nun sagt mir, wie geht es dem alten Mann?«
    Ambrose rückte seinen Turban zurecht. »Alt ist er.«
    »Nein«, hakte Paul freundlich nach, »ich meinte, wie geht es ihm wirklich?«
    »Wie ich gesagt habe: Er ist alt geworden. Wie ich. Es gibt zu viel Neues in dieser Welt. Zuerst ein neuer König, dann neue Handelsrouten. Was kommt als Nächstes? Keinem von uns gefällt das. Wir bevorzugen das Altbewährte. Und außerdem bekommt mir das viele Herumreisen nicht mehr.«
    Paul lachte. »Das höre ich nun schon seit zwanzig Jahren von Euch – seit ich Euch kenne.«
    »Mag sein, aber diesmal meine ich es ernst. Zu viele marode Schiffe. Und, genau betrachtet, auch zu viele marode Kaufleute.« Ambrose legte Paul die Hand auf die Schulter. »Es bräche Parvish das Herz, wenn er Euch in diesem Zustand sähe. Und wenn Ihr mich fragt – was Ihr nicht vorhabt, das weiß ich –, dann ist dies der Grund, warum Ihr so wütend auf Euren John Carew seid. Ihr wisst sehr wohl, dass Ihr nicht nur eine Rolle spielt, so gern Ihr mir das auch vormachen würdet. Carew hält Euch den Spiegel vor, Pindar, und Euch gefällt nicht, was Ihr darin seht.«
    »Ich weiß, was ich tue.«
    »Tatsächlich?« Ambrose deutete auf das kleine, verglaste Fenster. Paul drehte sich um und fand sich mit seinem Spiegelbild konfrontiert. Über seiner Nasenwurzel hatte sich eine bläuliche Beule gebildet, seine Augen waren rot gerändert. Trotz der Nacht bei Constanza sah er erschöpft aus und seine ohnehin blasse Haut war so bleich, als hätte er überhaupt nicht geschlafen.
    »›Gewitzt, gescheit und ein wahrer Gentleman‹«, sagte Ambrose ernst, »so haben Euch die ehrenwerten Kaufleute einmal genannt. Und so war der Mann beschaffen, den Sie als ihren Gesandten zum Sultan nach Konstantinopel geschickt und mit einer wichtigen Mission betraut haben.« Ambroses überraschend kräftige Finger krallten sich in Pauls Schulter. »Aber ich erkenne die Anzeichen von Verfall«, fügte er leise hinzu. »Was ist mit Euch geschehen, Pindar? Habt Ihr in letzter Zeit einmal in den Spiegel geblickt? Erzählt mir nicht, dass Ihr Euch das absichtlich angetan habt.«
    »Ich weiß, was ich tue«, wiederholte Paul und versuchte, sich ihm zu entziehen, aber Ambrose hielt ihn fest. »Ich weiß es und Parvish auch«, beteuerte Paul. »Wenn die neue Ostindien-Gesellschaft mit ihren Unternehmungen Erfolg hat, wird sie dieselben Gewürze wie wir kaufen, aber fast an der Quelle. Wenn sie dazu noch den neuen Seeweg befährt, wie es die Holländer tun, wird der Levante-Handel zusammenbrechen, und wir stehen vor dem sicheren Ruin. Wir waren uns einig, dass wir sämtliche Anteile verkaufen, die wir besitzen … und vorläufig in etwas Wertbeständiges investieren, bis wir klarer sehen, was das Gebot der Stunde ist.«
    »Edelsteine. Ja, das habt Ihr mir schon erklärt. Sehr schlau. Klein, tragbar und im derzeitigen Klima viel wertbeständiger als Pfeffer oder Nelken. Ihr hattet schon immer besonders kluge Ideen, das gestehe ich Euch zu. Aber das Glücksspiel?«
    »Was ist damit?« Paul zog einen glänzenden, runden Gegenstand aus der Tasche, etwa so groß wie eine Uhr und auch so geformt, und strich mit dem Finger zart über den vergoldeten Messingdeckel. Ein Muster war darauf eingraviert, das zwei sich umschlingende, aalähnliche Geschöpfe zeigte, Neunaugen oder auch Lampreten genannt.
    »Ihr wisst genau, was ich meine«, bohrte Ambrose weiter. »Weiß Parvish von Eurer Spielsucht?« Als Paul nicht antwortete, wurde er laut. »Was ist? Habt Ihr Eure Zunge verschluckt? Ich fühle es in den Knochen, Pindar, Ihr habt die Spielerkrankheit.«
    »Ich weiß nicht, wovon Ihr redet.« Geistesabwesend klappte Paul den Deckel des runden Kompendiums mit dem Daumen auf und zu.
    »Oh doch«, widersprach Ambrose unwirsch. »Ich könnt nicht mehr damit aufhören, stimmt’s? Ihr seid süchtig.«
    »Das ist eine Lüge …«
    »Was fummelt Ihr dann so nervös an diesem Kompendium herum? Ihr konntet noch nie gut lügen. Parvish hat immer gesagt, dass er Euch durchschaut, weil Ihr die Finger nicht ruhig halten könnt, wenn Ihr die Unwahrheit sagt. Lasst

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