Das Mädchen von San Marco (German Edition)
aber erst hier fiel mir wieder ein, was es war.«
»Das ist kein unwiderlegbarer Beweis«, sagte Constanza.
»Nein, aber wenn wir Pindar erzählen, was ich bis jetzt herausgefunden habe, könnte das die Sache ein wenig hinauszögern. Uns Zeit geben. Ihn von seiner neuen Besessenheit ablenken.«
»Ihr glaubt wirklich, dass er versuchen wird, um den Diamanten zu spielen?«
Carew sah sie ungerührt an. »Ihr habt doch gesehen, wie es mit ihm und den Karten steht.«
Constanza nickte stumm.
»Er ist wie von Teufeln besessen. Die Spielsucht ist wie eine Krankheit. Er wird nicht aufhören, ehe er alles eingesetzt hat, was er besitzt«, fuhr Carew fort. »Er wird sich dafür sogar in Schulden stürzen. Und wenn er sich bisher noch nicht ruiniert hat, dann wird es bald so weit sein, glaubt mir.«
Constanza stand wieder auf und lief ruhelos zum Fenster.
»Es ist alles meine Schuld«, sagte sie betrübt, »ich hätte es in jener Nacht nicht ausplaudern sollen …«
»Er hätte sowieso von dem Diamanten erfahren und auch von dem Spiel.«
»Aber Ihr versteht das nicht«, widersprach Constanza, »ich hätte ihm irgendetwas erzählen können, wenn ich nur meine Sinne beisammengehabt hätte.«
»Was denn, zum Beispiel?«
»Irgendetwas, das ich von einem meiner Gäste gehört habe. Dieser Herr, der Poesie mag, liebt auch die Karten – primero, bessano, all diese Spiele. Ich erfahre manchmal Geschichten, wenn Männer in einer – wie soll ich es sagen – besonders entspannten Stimmung sind …« Constanza lächelte Carew vielsagend an. »Sie geben Dinge preis, die sie sonst nie aussprechen würden. Dieser Gast, von dem ich rede, würde niemals auch nur in die Nähe von Zuannes ridotto gehen, nicht einmal für einen so bedeutenden Gewinn wie den Blauen Stein des Sultans. Wisst Ihr, Zuanne hat keinen sehr guten Ruf. Und was Francesco angeht – ha!« Sie machte eine abwertende Handbewegung. »Noch viel schlimmer. Vor einer Weile wurde bei einem seiner sogenannten Spiele jemand ermordet.«
»Wie kam es dazu?«
»Zu viele Ausländer.«
Carew starrte sie an. »Was hat das damit zu tun?«
»Es bedeutet, dass man leicht betrogen wird.«
»Ihr meint, sie manipulieren das Spiel.«
»Nein, das glaube ich nicht.« Constanza runzelte die Stirn. »Das wäre zu offensichtlich. Es gibt zu viele Zuschauer. Aber merkt Euch meine Worte, es wird irgendeine Art von Betrug geben.«
Eine Pause entstand, während Carew diese Information verdaute. Er betrachtete seine Hände, die über und über mit Narben und den Spuren alter Verbrennungen bedeckt waren.
»Wenn wir ihm das erzählen, wird er sofort argwöhnen, dass wir ihn vom Spielen abhalten wollen«, sagte Carew schließlich. »Er will den Diamanten, Constanza. So wie ich ihn kenne, ist er schon nicht mehr aufzuhalten. Der Diamant soll ihn zu Celia führen.«
Constanza sah ihn traurig an und ersparte sich eine Antwort. »Was habt Ihr vor?«
Jetzt war es Carew, der ratlos ans Fenster trat. Wie lange schien diese endlose Nacht schon zurückzuliegen, in der er hier mit Constanza auf Paul und Ambrose Jones gewartet hatte! Sein Versuch, Pindar von seiner Spielsucht abzubringen, war missglückt. Welche bösen Kräfte hier wirkten, konnte er nicht sagen. Vielleicht hätte er Constanza doch erlauben sollen, ihm zu verraten, was die Karten meinten. Er war auf einmal todmüde. Er hatte nicht vorgehabt, seine Pläne zu offenbaren, aber jetzt beschloss er, Constanza einzuweihen.
»Nächste Woche läuft ein Handelsschiff nach England aus.«
»Ihr reist ab?«
»Ja.«
»Aber Ihr könnt ihn jetzt nicht verlassen!«
»Ihr versteht nicht: Er hat es mir befohlen.« Carew starrte auf das schwarze Wasser des Kanals. »Abgesehen davon gibt es nichts mehr, was ich für ihn tun kann. Ich habe alles getan, was in meiner Macht steht.«
»Aber Ihr müsst noch einmal in dieses Kloster zurück! Noch ist Zeit. Sucht einen Weg, mit dieser Nonne in Ruhe zu sprechen, und findet heraus, was sie weiß.«
Carew drehte sich nicht um. »Ich kann nicht«, murmelte er.
»Wie?«
»Ihr habt mich gehört, ich kann nicht dorthin zurück.«
»Warum nicht?«
Er schwieg.
»Ihr habt also Angst«, reizte sie ihn. »Das sieht Euch nicht ähnlich, John Carew. Ich weiß, die Strafen für Männer, die sich mit unseren Nonnen versündigen, sind hart, aber ich hätte gedacht –«
»Angst?« Carew drehte sich wütend zu ihr um. »Unsinn, ich habe keine Angst. Aber es ist … nun … es ist kompliziert«,
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