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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Die Strecke ist nur sechs Meilen lang und als mittelschwer eingestuft. Nun ... dieser eine kleine Abschnitt in der Mitte gilt als mittelschwer bis schwierig, aber nicht so sehr, daß wir eine Kletterausrüstung oder dergleichen brauchen würden.«
    Sie tippte auf ein weiteres blaues Quadrat. Pete hatte den Kopf auf eine Hand gestützt und sah weg. Sein Daumenballen hatte seinen linken Mundwinkel zu einem häßlichen Grinsen hochgezogen. Dieses Jahr hatte er angefangen, Pickel zu bekommen, und auf seiner Stirn glänzte eine neue Ernte. Trisha liebte ihn, aber manchmal - zum Beispiel gestern am Küchentisch, als Mom ihnen ihre Route erläutert hatte - haßte sie ihn auch. Sie hätte ihn am liebsten aufgefordert, nicht so feige zu sein, denn darauf lief es hinaus, wenn man der Sache auf den Grund ging, wie Dad gesagt hätte. Pete wollte seinen kleinen Teenagerschwanz zwischen die Beine nehmen und nach Maiden zurückrennen, weil er ein Feigling war. Er machte sich nichts aus Mom, er machte sich nichts aus Trisha, ihm war es sogar gleichgültig, ob das Zusammenleben mit Dad ihm auf die Dauer guttun würde. Pete machte sich etwas daraus, daß er niemanden hatte, mit dem er auf der Tribüne in der Turnhalle seinen Lunch essen konnte. Pete machte sich etwas daraus, daß er nach dem ersten Klingeln nie das Klassenzimmer betreten konnte, ohne daß jemand rief: »He, Compu World! Wie geht's denn, du Warmduscher?«
    »Dies ist der Parkplatz, auf dem wir rauskommen«, hatte Mom gesagt und entweder nicht gemerkt, daß Pete überhaupt nicht auf die Karte sah, oder so getan, als merke sie es nicht. »Gegen drei Uhr kommt dort ein Van vorbei. Er bringt uns zu unserem Wagen zurück. Zwei Stunden später sind wir wieder zu Hause, und wenn wir nicht zu müde sind, fahre ich mit euch beiden noch ins Kino. Na, wie klingt das?«
    Pete hatte gestern abend nichts gesagt, aber heute morgen hatte er seit der Abfahrt aus Sanford viel zu sagen gehabt. Er hatte keine Lust auf diese blöde Wanderung, außerdem hatte er gehört, es solle später regnen, warum mußten sie in der Jahreszeit, in der es die meisten Insekten gab, einen ganzen Samstag lang durch die Wälder latschen, was war, wenn Trisha an Giftefeu geriet (als ob ihn das gekümmert hätte), und so weiter und so fort. Jatata-jatata-jatata. Er besaß sogar die Frechheit zu sagen, er hätte zu Hause bleiben sollen, um für die Abschlußprüfung zu lernen. Dabei hatte Pete, soviel Trisha wußte, in seinem ganzen Leben noch nie samstags gelernt. Anfangs reagierte Mom nicht darauf, aber schließlich fing er an, ihr auf die Nerven zu gehen. Hatte er genug Zeit, schaffte er das immer. Bis sie den kleinen ungeteerten Parkplatz an der Route 68 erreichten, waren ihre Fingerknöchel am Lenkrad weiß, und sie sprach in dem abgehackten Tonfall, den Trisha nur allzu gut kannte. Mom hatte die Vorwarnstufe Gelb hinter sich gelassen und ging zu Alarmstufe Rot über. Alles in allem versprach das eine sehr lange Sechsmeilenwanderung durch die Wälder im Westen Maines zu werden. Anfangs versuchte Trisha sie abzulenken, indem sie sich mit ihrer besten 0-Mann-Kochtöpfe-für-wasserloses-Garen-Stimme für Scheunen und weidende Pferde und malerische Friedhöfe begeisterte, aber die beiden ignorierten sie, und nach einiger Zeit lehnte sie sich einfach mit Mona auf dem Schoß (ihr Dad nannte Mona gern Moanie Balogna) und ihrem Rucksack neben sich auf dem Rücksitz zurück, hörte zu, wie die beiden stritten, und fragte sich, ob sie jetzt losheulen oder tatsächlich verrückt werden sollte. Konnte man von ständigem Streit in seiner Familie verrückt werden? Wenn ihre Mutter anfing, sich die Schläfen mit den Fingerspitzen zu reiben, lag das vielleicht nicht daran, daß sie Kopfschmerzen hatte, sondern weil sie womöglich verhindern wollte, daß ihr Gehirn durch Selbstentzündung oder explosiven Druckabfall oder sonst was draufging. Um den beiden zu entkommen, öffnete Trisha die Tür zu ihrer Lieblingsphantasie. Sie nahm ihre Red-Sox-Kappe ab und betrachtete das mit einem breiten schwarzen Filzstift auf den Mützenschirm geschriebene Autogramm; das half ihr, in Stimmung zu kommen. Dies war Tom Gordons Unterschrift. Pete mochte Mo Vaughn, und ihre Mom hatte eine Vorliebe für Nomar Garciaparra, aber Tom Gordon war Trishas und Dads liebster Red-Sox-Spieler. Tom Gordon war der Closer, der letzte Werfer der Red Sox: Er kam im achten oder neunten Inning ins Spiel, das heißt in einem der beiden letzten Durchgänge,

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