Das Maerchen der 1001. Nacht
liebte ihre Arbeit und fühlte sich mit den Teenagern, die sie unterrichtete, verbunden. „Ich möchte Ihnen nichts vormachen“, begann sie.
„Nein, das sollen Sie auch nicht.“
„Ich würde meinen Beruf sehr vermissen. Ist das ein Problem?“
Nachdenklich ließ er sich auf dem Sofa zurücksinken. „Darüber müssen wir später reden. Es wird sich sicher eine Lösung finden lassen.“
Er antwortet so ausweichend wie ein Politiker, dachte sie. Wahrscheinlich setzte er seinen Willen sowieso immer durch, ohne Rücksicht darauf, ob er jemanden verletzte oder nicht. Damit würde die Frau, die er heiratete, leben müssen. Glücklicherweise war sie nicht diese Frau.
„Einverstanden, wir können es später klären“, stimmte sie zu.
„Wie gefällt es Ihnen in Bha’Khar?“
„Ich habe noch nicht viel von dem Land gesehen. Ich weiß aber noch, dass ich als Kind mit meiner Mutter zum Markt gegangen bin. Sie hat immer …“ Sie verstummte, denn die Erinnerungen an die verschiedenen Gerüche, den Lärm und daran, wie sicher sie sich an der Hand ihrer Mutter gefühlt hatte, wurden übermächtig. Es kam ihr vor, als stürzte sie in ein schwarzes Loch. Die tiefe Traurigkeit darüber, dass ihre Mutter die Familie verlassen hatte, hatte sie nie ganz überwunden. Sie und Addie waren von ihrem strengen Vater großgezogen worden. Beth hatte unter dem schmerzlichen Verlust sehr gelitten und oft geglaubt, es nicht mehr aushalten zu können. Für Addie war es noch schwieriger gewesen, ohne ihre Mutter leben zu müssen.
„Was wollten Sie sagen?“, fragte Malik.
„Ach, nichts.“ Es war nicht der richtige Zeitpunkt, mit ihm über ihre Mutter zu reden. Beth hatte sich jedoch vorgenommen, während ihres Aufenthalts in Bha’Khar ihre Mutter zu besuchen und ihr ins Gesicht zu sagen, was sie von einer Frau hielt, die ihre Kinder im Stich ließ. Außerdem wollte Beth endlich wissen, was sie zu diesem Schritt bewogen hatte.
Auf einmal wurde ihr bewusst, dass nur Malik derjenige war, der hier Fragen stellte. Sie musste ihn von sich ablenken, den Spieß umdrehen und anfangen, ihn auszufragen. Natürlich ging es ihr nicht darum, ihre Neugier zu befriedigen, sondern nur darum, Addie zu helfen. Beth wollte erreichen, dass der Kronprinz auf die Einlösung des Versprechens verzichtete.
„Jetzt müssen Sie mir aber auch etwas über sich erzählen“, forderte sie ihn auf.
Sekundenlang dachte er nach. „Okay. Irgendwann werde ich der Herrscher dieses Landes und der Nachfolger meines Vaters sein. Er ist mir ein leuchtendes Vorbild und hat mich immer wieder dazu motiviert, ihn nach Möglichkeit noch zu übertreffen.“
„Wo haben Sie studiert?“, fragte sie und wünschte sogleich, sie könnte es zurücknehmen. Wenn sie sich besser informiert hätte, wüsste sie, welche Universität er besucht hatte. Hoffentlich war er nicht beleidigt, dass sie so wenig Ahnung hatte.
„Ich habe in Amerika in Wharton BWL studiert und dort auch promoviert.“
Beth war beeindruckt. Offenbar war er nicht nur attraktiv, charmant und humorvoll, sondern auch hochintelligent.
„Was erwarten Sie von meiner …?“ Von meiner Schwester, hätte sie beinah gesagt. Sie räusperte sich. „Ich meine, was erwarten Sie von Ihrer zukünftigen Frau?“
„Das hört sich an wie ein Bewerbungsgespräch“, stellte er fest.
„So? Kennen Sie sich damit aus? Haben Sie sich jemals um einen Job beworben?“
„Warum fragen Sie?“
Sie zuckte die Schultern. „Sorgen um einen Job brauchen Sie sich als Thronfolger ja nicht zu machen. Ihre berufliche Laufbahn ist doch vorgezeichnet. Deshalb können Sie eigentlich gar nicht wissen, was es bedeutet, einem möglichen Arbeitgeber Rede und Antwort zu stehen.“
„Gut, Sie haben recht, ich habe keine Ahnung. Als zukünftigem Herrscher des Landes wird von mir viel mehr erwartet als von einem normalen Arbeitnehmer.“
„So? Trifft das auch für Sie als Ehemann zu? Und für die Frau, die Sie einmal heiraten? Erwarten Sie von ihr …“ Wieder hätte sie sich fast verraten und korrigierte sich rasch: „Ich meine, erwarten Sie von mir mehr als von einer normalen Ehefrau?“
Er runzelte die Stirn und sah sie verwundert an. „Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“
„Dann wird es aber allerhöchste Zeit, dass Sie es tun“, erwiderte sie.
Malik registrierte ihren spöttischen Ton, und ihm fiel auf, wie nervös sie war. Sie wirkte angespannt, schien auf der Hut zu sein und hatte ihm bei der Begrüßung ihre Hand
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