Das Magdalena-Evangelium: Roman
von Dämonen besessen oder geisteskrank gewesen. Erst nachdem ich mit der Perspektive von Arques vertraut gemacht worden bin, wie sie hier dargestellt wird – dass Jesus Maria geheilt hat, nachdem sie mit einem Trank vergiftet worden ist, den man als »Gift der sieben Teufel« kannte –, hat dieser Satz des Markus einen Sinn für mich ergeben.
In einer Zeit, da Frauen über ihre Männer definiert wurden, wird Maria Magdalena im Neuen Testament als niemandes Frau benannt, geschweige denn als die Gemahlin Jesu. Diese Tatsacheallein hat viele Gelehrte zu der Annahme bewegt, dass schon die Vorstellung unmöglich sei, Jesus und Maria seien miteinander verheiratet gewesen. Doch daraus ergibt sich ein weiteres Rätsel, da sie die einzige Frau in den vier Evangelien ist, die für sich allein steht. Ich glaube, dass Marias komplizierte Beziehungen – ihr Status als Frau edler Abkunft, die Witwe und Braut zugleich wird – problematisch waren. Es wäre seltsam und auch politisch inkorrekt gewesen, Maria über ihre Beziehungen zu Männern zu definieren. Als Folge davon wurde sie durch ihren Namen und ihren Titel bekannt: Maria Magdalena.
Des Weiteren hat mich auch Magdalenas Ikonographie immer wieder vor ein Rätsel gestellt. Trotz der geheimnisvollen Natur ihrer Legende ist sie zu einer der populärsten Gestalten für die großen Künstler des Mittelalters, der Renaissance und des Barock geworden. Es gibt Hunderte von Porträts Maria Magdalenas, von den italienischen Meistern wie Caravaggio und Botticelli bis hin zu den modernen Europäern wie Salvador Dalí und Jean Cocteau. Dabei findet sich eine Gemeinsamkeit in all den unterschiedlichen Bildnissen von ihr; sie wird immer wieder mit den gleichen Requisiten dargestellt: einem Schädel, von dem es heißt, dass er die Reue symbolisieren soll, einem Buch, das angeblich die Evangelien darstellt, und dem Alabasterkrug, mit dessen Inhalt sie Jesus gesalbt hat. Und stets ist sie in Rot gewandet – eine Tradition, die weit in die Geschichte zurückreicht und von der man annimmt, sie stehe in Verbindung zu der Vorstellung von ihr als Hure.
Doch ich glaube inzwischen, dass diese Ikonographie in der geheimen Version ihrer Geschichte begründet liegt, wie die Menschen sie im europäischen Untergrund bewahrt haben. Für mich repräsentiert der Schädel eindeutig Johannes, für den sie auf ewig wird Buße tun müssen. Das Buch stellt entweder eine Referenz an die Evangelien oder an Isas Buch dar, das Buch der Liebe, und die roten Gewänder und Schleier symbolisieren ihren königlichen Status in der nazarenischen Tradition. Ichbin fest davon überzeugt, dass viele der großen Künstler und Schriftsteller Europas in die »Ketzerei« der Maria Magdalena verstrickt waren – und mit dem großen Erbe zu tun hatten, das sie auf dem Kontinent hinterlassen hat.
Auf diesem Weg wurden mir auch die unerzählten Geschichten anderer Helden und Antihelden des Neuen Testaments in erstaunlichen Einzelheiten enthüllt. So findet der Leser auf diesen Seiten eine sehr unterschiedliche – und wie ich hoffe, auch sehr menschliche – Interpretation der Rolle der berüchtigten Salome. Johannes der Täufer ist ebenfalls ein vollkommen anderer Mensch, wenn man ihn mit den Augen Maria Magdalenas und jener betrachtet, die sie seit zweitausend Jahren verehrt haben. Es ist meine leidenschaftliche Hoffnung, dass der Leser nicht den Eindruck gewinnen wird, ich sei in meiner Darstellung des Johannes zu hart gewesen. Sowohl Maria als auch Isa sagen immer wieder, dass Johannes ein großer Prophet gewesen sei. Auch glaube ich, dass er ein Mann seiner Zeit und Welt gewesen ist, ein Mann, der sich seinen Gesetzen kompromisslos verpflichtet fühlte, ein Mann, unnachgiebig in seinem Widerstand gegen Reformen. Auch wenn ich sicherlich nicht die erste Publizistin bin, die von einer Rivalität zwischen den Anhängern des Johannes und denen Jesu berichtet – und ich werde auch nicht die letzte sein –, so bin ich mir doch bewusst, dass die Vorstellung von Johannes als Marias erstem Mann viele schockieren wird. Es hat mich im wörtlichen Sinne Jahre gekostet, diese Enthüllung zu verarbeiten, bevor ich in der Lage war, darüber zu schreiben. Das Erbe des Johannes, wie es durch seinen Sohn mit Maria Magdalena weitergegeben wurde, wird in meinen künftigen Büchern enthüllt werden.
Im Laufe meiner Arbeit habe ich mich förmlich in die Apostel Philippus und Bartholomäus verliebt. Beide waren, betrachtet mit den Augen
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