Das Magdalena-Evangelium: Roman
Frankreichs zu den sanften Hügeln Südenglands und über die felsigen Inseln Schottlands.
Ich kämpfte darum, die zunehmend surrealen Elemente meines Lebens miteinander in Einklang zu bringen, während ich gleichzeitig über einen dalíesken Grad zwischen Vorstadtmutter und Indiana Jones balancierte. Nach und nach lernte ich zu verstehen, dass fast mein ganzes Leben der Vorbereitung dieser Entdeckungsreise der besonderen Art gedient hatte. Scheinbar willkürliche Personen und berufliche Erfahrungen begannen sich bei näherer Betrachtung zu einem komplexen Muster zu vereinen. Im Zuge dessen enthüllte ich auch eine Reihe von Familiengeheimnissen, wie ich sie mir zuvor noch nicht einmal hatte vorstellen können. Ich musste sogar mit dem Schock fertig werden, dass so manches, was man mich über bestimmte Mitglieder meiner Familie gelehrt hatte, nicht im Mindesten der Wahrheitentsprach. Gut zwei Jahrzehnte nach ihrem Tod fand ich heraus, dass meine konservativen und zutiefst traditionellen Großeltern väterlicherseits – meine Großmutter, die Südstaatenschönheit, und mein Großvater, ihr frommer, baptistischer Mann – tief in die Freimaurerei und die Aktivitäten von Geheimgesellschaften eingebunden waren. Ich erfuhr, dass meine Großmutter mit einer der ältesten Familien Frankreichs verwandt war – eine Tatsache, die nicht nur die Richtung verändern sollte, in die sich meine Arbeit entwickelte, sondern auch mein Leben. Der ultimative Schock kam jedoch mit der Enthüllung, dass mein eigenes Geburtsdatum Gegenstand einer Prophezeiung war, die in Bezug zu Maria Magdalena und ihren Nachkommen stand – die Prophezeiung von Orval, so wie Berenger Sinclair sie zitiert. Diese persönlichen »Zufälle« wurden zum Dietrich für verschlossene Türen, die allen Forschern vor mir versperrt gewesen waren.
Nach und nach wandelte sich mein Interesse an der Folklore, die Maria Magdalena umgab, in Besessenheit, während ich immer mehr über die faszinierenden Traditionen erfuhr, die in ganz Westeuropa mit großer Liebe und Leidenschaft bewahrt worden waren. Schließlich lud man mich ins innere Heiligtum von Geheimgesellschaften ein, und ich traf mich mit den Hütern derart heiligen Wissens, dass es mich bis heute erstaunt, dass sie und die Informationen, die sie beschützen, überhaupt existieren … und dies schon seit zweitausend Jahren.
Es war nie mein Ziel, Dinge zu ergründen, die das Glaubenssystem von einer Milliarde Menschen in Frage stellen würden. Es war nie meine Absicht, ein Buch zu schreiben, das solch ein schwerwiegendes Thema anspricht wie die Natur Jesu Christi und seine Beziehung zu jenen, die ihm am nächsten standen. Doch wie meine Protagonistin, so musste auch ich feststellen, dass uns unser Weg bisweilen vorherbestimmt ist. Nachdem ich die größte Geschichte aller Zeiten aus der Perspektive von Maria Magdalena entdeckt hatte, wusste ich, dass es kein Zurück mehr gab. Es nahm mich gefangen und tut es auchheute noch, und ich bin sicher, dass sich nie etwas daran ändern wird.
Zwei Jahrtausende voller Kontroversen haben Maria Magdalena zum schwerfassbarsten Charakter des Neuen Testaments gemacht. Auf meiner Suche nach der wirklichen Frau hinter der Legende habe ich erkannt, dass ich nicht den Wunsch verspürte, all die traditionellen Quellen der üblichen Verdächtigen noch einmal aufzuwärmen. Stattdessen hüllte ich mich in den warmen Mantel der Volkskundlerin und machte mich auf die Suche nach einem tiefer liegenden Geheimnis. Ich fand heraus, dass die vielseitigen Überlieferungen und die Mythen, die Maria Magdalena in Westeuropa umgeben, so reichhaltig wie alt sind. Das Magdalena-Evangelium erkundet Theorien über die Identität und die Wirkung dieser kontroversen Maria, inspiriert von den Subkulturen Südfrankreichs und anderer Orte Europas.
Die Folklore und die Traditionen Europas vermittelten mir überdies neue Einsichten in einige der Mysterien Marias, die mir bis dato von der traditionellen Wissenschaft nie auf genießbare Art erklärt worden waren. Seit Jahrhunderten hat man immer wieder einen Auszug aus dem Markusevangelium (16,9) gegen Maria ins Feld geführt: »Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte.« Dieser eine Satz hat zu extremen Behauptungen in Bezug auf Marias Geisteszustand geführt, einschließlich ganzer Bücher, die der Vorstellung gewidmet sind, sie sei entweder
Weitere Kostenlose Bücher