Das Magdalena-Evangelium: Roman

dass mir in meiner schweren Stunde die beste Hebamme Alexandrias zur Seite stand: Die ägyptische Priesterin Sarai holte meinen Sohn behutsam auf die Welt und wurde in jenen Anfangstagen des Exils Teil unserer wachsenden Familie.
    Die Lehren des Rechten Weges schlugen Wurzeln und erblühten an den Ufern des Nils, wo Liebe und Weisheit stets Nahrung finden. Diese Erinnerungen sind mir lieb und teuer, denn mein wunderschöner Sohn kam gesund und sicher zur Welt, und wir waren umgeben von alten Freunden und neuen Jüngern.
    Es gibt keinen heiligeren Augenblick für eine Mutter als den ersten Blick in das Gesicht ihres neugeborenen Kindes. Isa in dem Gesicht meines Sohnes wiederzusehen war ein Segen, den Worte nicht auszudrücken vermögen. Nicht nur für mich, sondern auch für Isas Jünger, die so sehr auf ein Zeichen der Hoffnung und des Lebens gewartet hatten.
    Als die Zeit gekommen war, Alexandria zu verlassen, schiedich schweren Herzens, doch mein Schicksal hatte mich für andere Orte bestimmt.
    Doch ich schied mit dem Wissen, dass die Lehren des Rechten Weges sich in Ägypten verbreiten würden. Einige der Auserwählten wollten bleiben, und es gab viele Konvertiten, die Isas Lehren hören wollten. Und ich nahm zwei der größten Schätze Ägyptens mit mir: die ägyptische Prinzessin Sarai und den edlen Römer Maximinus.
     
    Das Evangelium von Arques nach Maria Magdalena
    Das Buch der Dunklen Zeit

Im Das Magdalena-Evangelium habe ich aus Gründen der Verständlichkeit die modernen Namen von Menschen und Orten verwendet. Der See Genezareth und das Tote Meer hießen im ersten Jahrhundert natürlich anders. Doch ich fand es hilfreich für den Leser, diese Orte sogleich einordnen zu können, anstatt durch archaische Namen verwirrt zu werden. Ebenso werden die Namen einiger Personen in moderner Form gebraucht.
    Bei einigen der Personen, die in der Überlieferung eine Rolle spielen, ist es schwer zu sagen, was daran Legende und was historische Tatsache ist. So hieß Veronika, die Heilige, die Jesu Gesicht am Karfreitag mit ihrem Schleier abtrocknet (wie in der sechsten Kreuzwegstation dargestellt), vermutlich ursprünglich Berenike. Ihr moderner Name Veronika stammt vermutlich von der Bedeutung »wahres Bild«. Die Legende der Heiligen Veronika und ihres Schweißtuches wird zu einem späteren Zeitpunkt für die Magdalena-Trilogie wichtig werden. Oft heißt es von ihr, sie habe einen christlichen Konvertiten geheiratet, und gemeinsam seien sie nach Rom und später nach Frankreich gegangen, um die Lehre des Rechten Weges zu verbreiten.

    D er römische Soldat mit den blauen Augen, Praetorus, wurde nach Isas Kreuzigung zu einem Krieger anderer Art: Als Soldat des Rechten Weges wurde er einer der ersten und treuesten Konvertiten unserer Gemeinschaft. Wir nahmenihn frohen Herzens auf, und er tat in jener dunklen Zeit so viel für mich, so viel für uns alle.
    Am Tage von Isas Auferstehung hörte Praetorus die gute Nachricht und kam zu uns an die Grabstätte. Dort erblickte er zum ersten Mal unsere Nazarener-Schwester Veronika. Selbst in der unermesslichen Trauer, die mich in jener Zeit umhüllte, erkannte ich die Zeichen der Liebe zwischen den beiden. Praetorus ließ sich von Veronika in den Lehren der Nazarener unterweisen, obwohl sie noch keine Priesterin war. Sie war jünger als ich und noch nicht verheiratet. Die Leute hatten bereits darüber getuschelt, dass sie für ein unverheiratetes Mädchen allmählich zu alt werde, doch Veronika war standhaft geblieben. Gott habe ihr befohlen zu warten, pflegte sie zu sagen, und lehnte alle Anträge ab. Sie hatte das große Glück, einen liebevollen Vater zu haben, der an die Lehren der Nazarener glaubte und seiner Tochter keine Ehe aufzwingen wollte.
    An dem Tage, als Veronika Praetorus kennen lernte, erkannte sie Gottes Zeichen. Er war der Mann, auf den sie ihr Leben lang gewartet hatte.
    Gemeinsam würden sie Wunder vollbringen und die Lehre des Rechten Weges verbreiten. Als ich sie viele Jahre später wieder sah, hüpfte mein Herz vor Freude über dieses Paar.
     
    Das Evangelium von Arques nach Maria Magdalena
    Das Buch der Jünger

Die Legende des Zenturios Longinus ist eine der berühmtesten Geschichten, die sich um die Kreuzigung ranken. Meistens geht es jedoch nicht um den Mann, sondern um seine Waffe – die Lanze, mit der er den am Kreuz hängenden Jesus in die Seite stach. Um diese Lanze ranken sich zahlreiche Legenden, und man sagt ihr geheimnisvolle Kräfte nach.