Das Magdalena-Evangelium: Roman
so bleiben, bis wir wieder vom Berg runter sind«, fuhr Tammy fort. »Es gibt etwas hier, das Uhren ebenso beeinflusst wie alle elektronischen Geräte, was einer der Gründe dafür sein könnte, warum hier so viele Leute selbst im einundzwanzigsten Jahrhundert noch Sonnenuhren verwenden. Das passiert nicht jedem; aber ich kann euch gar nicht sagen, wie viele seltsame Dinge ich selbst schon erlebt habe.«
Sie erzählte ihnen eine von vielen Geschichten über die unerklärlichen Zeitelemente im Gebiet von Rennes-le-Château.
»Eines Tages bin ich mit ein paar Freunden hier raufgefahren und habe am Fuß des Hügels auf die Uhr im Wagen geschaut. Als wir oben ankamen, zeigte die Uhr an, dass uns die Auffahrt gut eine halbe Stunde gekostet hatte. Nun, du bist die Strecke gerade gefahren, Padre … Wie lange haben wir gebraucht, selbst im Schneckentempo? Fünf Minuten?«
Peter nickte zustimmend. »Viel mehr auf keinen Fall.«
»Es ist nicht weit, vielleicht zwei Meilen. Also haben wir geglaubt, dass die Uhr im Wagen schlicht falsch gehe … bis wir auf unsere Armbanduhren geschaut haben. Es war tatsächlich eine halbe Stunde vergangen. Nun, wir wussten alle, dass wir keine halbe Stunde auf der Straße gewesen waren, aber irgendwiewaren ganze dreißig Minuten vergangen, während wir hier raufgefahren waren. Es war wie eine Art Zeitverwerfung, und seitdem habe ich mit vielen Leuten gesprochen, denen es ähnlich ergangen ist. Die Einheimischen zerbrechen sich darüber gar nicht erst den Kopf, weil sie es gewohnt sind. Frag sie danach, und sie werden einfach mit den Schultern zucken, als sei es die normalste Sache der Welt.
Aber in der Pyramide von Giseh und an einigen heiligen Stätten in Britannien und Irland haben die Leute Ähnliches erlebt. Was ist das also? Ist irgendeine Art von Magnetfeld daran schuld? Oder ist es vielleicht für unsere armseligen Menschenhirne schlicht nicht fassbar?«
Tammy führte die verschiedenen Theorien aus, die einheimische und internationale Forschungsteams entwickelt hatten: Leylinien, Vortizes, Erdlöcher, Sternentore … »Salvador Dalí hat gesagt, der Bahnhof von Perpignan sei das Zentrum des Universums, weil sich dort diese ganzen Magnetlinien kreuzen.«
»Wie weit liegt Perpignan von hier entfernt?« Das kam von Maureen.
»Gut vierzig Meilen. Aber sicherlich ist es nahe genug, um es interessant zu machen. Ich wünschte, ich hätte die Antwort auf das alles, aber die hat niemand. Das ist auch der Grund, warum ich so süchtig nach diesem Ort bin und immer wieder zurückkehre. Erinnert ihr euch an den Meridian, den Sinclair euch in der Kirche St. Sulpice gezeigt hat?«
Maureen nickte und bemühte sich mitzukommen. »Die Magdalena-Linie.«
»Genau. Sie führt von Paris mitten durch dieses Gebiet. Warum? Weil es irgendetwas in dieser Region gibt, das über Zeit und Raum hinausgeht; und ich denke, das ist auch der Grund, warum seit Menschengedenken Alchemisten aus ganz Europa hierhergekommen sind.«
»Ich habe mich schon gefragt, wann wir wieder zur Alchemie zurückkommen«, bemerkte Peter.
»Tut mir leid, Padre. Ich neige dazu, ein wenig auszuholen, doch andererseits: Keine dieser Erklärungen ist wirklich leicht. Dieser Turm da, der Turm der Alchemie, ist offenbar genau über einem solchen Kraftpunkt errichtet worden, und die Magdalena-Linie führt mitten durch ihn hindurch. Unzählige alchemistische Experimente sind dort durchgeführt worden.«
»Wenn du von ›Alchemie‹ sprichst, meinst du dann den mittelalterlichen Glauben, Eisen in Gold verwandeln zu können?« Das war Maureens Frage.
»In einigen Fällen, ja. Aber was ist die korrekte Definition von Alchemie? Wenn du wirklich mal einen heftigen Streit vom Zaun brechen willst, dann stell diese Frage auf einem Esoterikertreffen. Sie werden den Saal abreißen, bevor sie einer Antwort auch nur nahe gekommen sind.
Da gibt es die wissenschaftlichen Alchemisten, die auf praktischem Wege versuchen, verschiedene Materialien in Gold zu verwandeln. Einige von diesen sind in dem Glauben hierhergekommen, dass die Magie des Landes der magische X-Faktor sei, nach dem sie zur Vollendung ihrer Experimente gesucht haben. Dann gibt es da die Philosophen, die glauben, Alchemie sei eine spirituelle Transformation, dass es darum gehe, die grundlegenden Elemente des menschlichen Geistes in ein goldenes Ich zu verwandeln. Und da sind die Esoteriker, die meinen, mit alchemistischen Prozessen könne man Unsterblichkeit erreichen und irgendwie
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