Das Magdalena-Evangelium: Roman
war es leid, ständig von ihm und diesem Franzosen verspottet zu werden. Sie behandelten ihn wie einen Idioten, und das hatte bis dahin noch niemand gedurft.
Als die Nachrichten abgespielt wurden, stählte Derek sich für den Oxford-Akzent, der mit jeder neuen Nachricht bedrohlicher klang. Bei den letzten Worten der achten Nachricht wusste Derek, was jetzt zu tun war.
Château des Pommes Bleues
25. Juni 2005
Tamara Wisdom bürstete sich das glänzende schwarze Haar, während sie in den gigantischen vergoldeten Spiegel blickte. Die vor Leben nur so sprühende Morgensonne erhellte ihr Zimmer, das jeden Zoll genauso königlich war wie das von Maureen. Rosen in allen Schattierungen von Cremefarben und Lavendel standen in Kristallvasen auf jedem Tisch, und purpurner Samt und schwerer Brokat hingen an Tammys riesigem Bett, einem Ort, an dem sie selten allein war.
Tammy lächelte und gestattete sich kurz, sich die schönen Erinnerungen an die vergangene Nacht noch einmal ins Gedächtnis zurückzurufen. Noch immer spürte sie die Hitze seines Leibes auf ihrer Haut, lange nachdem er sich kurz vor Sonnenaufgangvon ihr verabschiedet hatte. Dank ihrer wilden und experimentierfreudigen Haltung zum Leben hatte sie schon so manche Leidenschaft genossen, doch so wie diesmal war es noch nie gewesen. Endlich verstand sie, was die Alchemisten damit meinten, wenn sie vom »Großen Werk« sprachen, der perfekten Vereinigung von Mann und Frau – einer Vereinigung des Leibes, des Geistes und der Seele.
Tamaras Lächeln verschwand, als sie wieder in die Realität dessen zurückkehrte, was heute getan werden musste.
Zuerst hatte es einfach nur Spaß gemacht; es war wie ein großes Schachspiel gewesen, das über zwei Kontinente hinweg gespielt wurde. Sie hatte rasch gelernt, Maureen zu mögen. Das hatten sie alle. Selbst der Priester hatte sich nicht als so aufdringlich erwiesen, wie sie alle befürchtet hatten. Auf seine eigene Art und Weise war auch er eine mystische Seele und ganz und gar nicht der blinde Dogmatiker, mit dem sie gerechnet hatten.
Dann war da noch die Frage ihrer eigenen, immer tiefer gehenden Beteiligung. Das Mata-Hari-Element war zunächst amüsant gewesen, doch nun stieß es sie mehr und mehr ab. Sie würde all diese Dinge heute vorsichtig ins Gleichgewicht bringen müssen, um die Informationen zu bekommen, die sie benötigte, sich aber nicht gleichzeitig selbst zu verlieren. Sie hatte verschiedene Ziele zu verfolgen, für sich selbst, für die Gesellschaft und für Roland. Behalte das Gesamtbild im Auge, Tammy, ermahnte sie sich selbst. Wenn du Erfolg hast, hast du alles gewonnen … und wenn du versagst, wirst du alles verlieren.
Das Spiel hatte sich verändert, und es wurde weit gefährlicher, als irgendeiner von ihnen geglaubt hatte.
Tammy legte die Bürste beiseite, sprühte sich ein wenig schweren Blumenduft auf ihre Handgelenke und ihren Hals und bereitete sich auf das vor, was da kommen würde. Als sie sich umdrehte, um den Raum zu verlassen, blieb sie kurz vor dem erstaunlichen Gemälde stehen, das eine der Wände zierte. Es stammte von dem französischen Symbolisten Gustave Moreau,und es zeigte die Prinzessin Salome in ihren sieben Schleiern, wie sie den Kopf des Täufers auf einem Teller hielt.
»Braves Mädchen«, flüsterte Tammy zu sich selbst, als sie aufbrach, um mit dem letzten und entscheidenden Teil ihrer Intrige zu beginnen.
Maureen aß allein im Frühstücksraum. Roland, der durch den angrenzenden Gang ging, bemerkte das und trat ein.
» Bonjour, Mademoiselle. Sind Sie allein?«
»Guten Morgen, Roland. Ja. Peter hat noch geschlafen, und ich wollte ihn nicht wecken.«
Roland nickte. »Ich habe eine Nachricht für Sie von Ihrer Freundin Tamara Wisdom. Sie wohnt jetzt auch hier im Château, und sie würde gern heute Abend mit Ihnen essen.«
»Das wäre großartig.« Maureen war begierig darauf, sich mit Tammy noch einmal über die Party zu unterhalten. »Wo ist sie?«
Roland zuckte mit den Schultern. »Sie ist heute früh nach Carcassonne gefahren. Es hat irgendetwas mit dem Film zu tun, an dem sie arbeitet. Sie hat mir nur diese Nachricht für Sie gegeben. Und jetzt, Mademoiselle, werde ich Monsieur Berenger suchen, denn er wird außer sich sein, wenn er erfährt, dass Sie allein frühstücken.«
Sinclair riss Maureen aus ihren Gedanken, als er kurz nach Rolands Abgang im Frühstücksraum erschien.
»Haben Sie ein wenig Schlaf bekommen?«
»Wie könnte man nicht in diesem
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