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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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Den Schädel, um genau zu sein. Der Lehrer der Gerechtigkeit poliert ihn jeden Tag. Er bildet den Mittelpunkt aller Ordensrituale.«
    »Woher wisst ihr, dass es wirklich sein Kopf ist?«
    »Tradition. Er ist über lange Zeit weitergereicht worden. Es gibt eine große Geschichte dazu, doch die werde ich dich im Wahren Buch des Heiligen Grals lesen lassen. Schau her. Hier sind noch mehr mit dem Zeigefinger. Er taucht in nahezu jedem Gemälde auf.«
    Tammy fiel auf, dass Dereks Aufmerksamkeitsspanne selbst bei so einem wichtigen Thema begrenzt zu sein schien, und so sprang er von einem Thema zum nächsten. War das Absicht? Hatte er einen Plan? Tammy hatte ihm bisher nicht so viel Intelligenzzugetraut, doch nun überkam sie das unheimliche Gefühl, dass sie ihn unterschätzt hatte. War der Kerl ein Fanatiker? Wie hatte sie nur übersehen können, wie verbohrt er war? Tammy versuchte, nicht an den Sumpf zu denken, in den sie mit ihrem hübschen Hals vermutlich geraten war.
    Derek führte sie zwischen den Gemälden hindurch und machte sie bei jedem auf die Geste aufmerksam. In den Porträts von Johannes vollführte der Täufer selbst diese Geste. Im Letzten Abendmahl war es einer der Apostel, ein deutlich erregter Thomas.
    »Mehrere der Apostel waren schon Jünger des Johannes, lange bevor Jesus gekommen ist«, erklärte Derek. »Was an dieser Version des Letzten Abendmahls bemerkenswert ist, ist, dass Jesus gerade verkündet, dass einer ihn verraten wird. Thomas hier bestätigt ihm das und erklärt ihm auch, warum, mit der ›Erinnere-dich-des-Johannes‹-Geste. ›Johannes’ Schicksal wird dein Schicksal sein.‹ Das sagt er dem falschen Propheten mit seinem Zeigefinger ins Gesicht. ›Du wirst genau wie Johannes zum Märtyrer werden, und das hast du auch nicht anders verdient.‹«
    Tammy war schockiert ob dieser erstaunlichen Interpretation eines der berühmtesten Gemälde der Welt. Sie konnte nicht umhin, eine weitere Frage zu stellen.
    »So glaubst du vermutlich auch nicht, dass es Maria Magdalena ist, die beim Letzten Abendmahl neben Christus sitzt?«
    Derek spuckte zur Antwort auf den Boden. »Jetzt weißt du, was ich von dieser Theorie halte und von allen, die daran glauben.«
    Derek winkte das Letzte Abendmahl ab, doch er war mit der Geschichtsstunde für Tammy noch nicht zu Ende. Er führte sie an die lange Wand, wo zwei Versionen von Leonardos berühmter Felsgrottenmadonna hingen. Zuerst deutete er auf die rechte Kopie.
    »Leonardo erhielt den Auftrag für ein Gemälde von Jungfrau und Kind für das Fest der Unbefleckten Empfängnis. Anscheinendwar es nicht, was die Bruderschaft der Unbefleckten Empfängnis sich vorgestellt hatte. Sie haben es abgelehnt. Aber es ist eine Ikone für unseren Orden geworden, und wir haben alle eine Version davon daheim.«
    Den Mittelpunkt bildete eine Madonna mit dem rechten Arm um ein Kleinkind und der linken über einem anderen Baby zu ihren Füßen. Ein Engel beobachtete die Szene. »Jeder glaubt, das sei Maria, aber sie irren sich. Schau es dir genau an. Das ist Elisabeth, die Mutter von Johannes dem Täufer.«
    Tammy war nicht überzeugt. »Und woher weißt du das?«
    »Zunächst einmal ist da wieder die Ordenstradition. Wir wissen einfach, dass es so ist.« Die Antwort war schlicht arrogant. »Aber die Kunstgeschichte stützt diese These. Leonardo hat sich mit der Bruderschaft von Anfang an über die Bezahlung für dieses Gemälde gestritten; also hat er es ihnen heimgezahlt, indem er ihnen weismachte, es stelle tatsächlich die traditionelle Szene dar, die sie verlangt hatten. In Wahrheit malte er jedoch eine Version von unserer eigenen Lehre, um sie ihnen ins Gesicht zu schlagen. Er hatte eben Sinn für Humor. Eine Menge von Leonardos Werken verspotten die Kirche auf diese Art, und weil er so viel klüger war als diese vertrottelten Papisten in Rom, ist er auch damit durchgekommen.«
    Tammy bemühte sich, ihre Überraschung ob Dereks Bigotterie zu verbergen. Sie hatte diese Seite von ihm noch nie gesehen, und das machte sie zunehmend nervös. Sie tastete in ihrer Tasche nach der Sicherheit ihres Handys. Wenn die Situation noch unheimlicher wurde, würde sie vielleicht ein SOS absetzen müssen. Aber sie war hin und her gerissen. Als Autorin und Filmemacherin war sie auf eine Goldader gestoßen … aber wagte sie auch, das zu verwenden?
    Derek war voll in Fahrt über sein Idol Leonardo. »Hast du gewusst, dass die Mona Lisa in Wahrheit ein Selbstporträt ist? Leonardo hat

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