Das Magdalena-Evangelium: Roman
darin, Cromwell zu Fall zu bringen, bevor er nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten kann. Ich möchte, dass du ihn bloßstellst, nicht den Orden. Dass er als irrer Fanatiker rüberkommt, der eine Gefahr für alle darstellt.«
»Warum vertraust du ausgerechnet mir?« Tammy fühlte sich zunehmend unwohl. Das war weit größer, als sie erwartet hatte, und weit düsterer, als ihr gefiel.
Derek schaute sie schelmisch an, als er ihr mit den Fingern über den Arm strich. »Weil du ehrgeizig bist und weil du es lieben wirst, die Exklusivrechte an einem Buch oder Film zu diesem Thema zu haben. Und weil mein Treuhandvermögen dem Bruttosozialprodukt diverser unabhängiger Staaten gleichkommt,und du weißt, dass ich jeden Scheck unterschreibe, den du brauchst. Habe ich nicht recht?«
Tammy lächelte ihn süßlich an, legte die Hand auf die seine und versuchte, sich nicht von Übelkeit übermannen zu lassen. Also musste sie das tatsächlich bis zum Ende durchziehen. »Aber natürlich.«
Was Derek ihr bei dem Gespräch nicht verraten hatte, war, dass die amerikanische Sektion einen Putsch innerhalb des Ordens plante. Zunächst einmal mussten sie ein paar lose Enden in Europa beseitigen, indem sie die dortigen Machthaber eliminierten. Dereks Vater, Eli Wainwright, hatte sich in den Kopf gesetzt, der nächste Lehrer der Gerechtigkeit zu werden – mit Derek als seinem potenziellen Nachfolger –, wenn es ihnen gelang, die europäischen Machtstrukturen zu zerschlagen.
Derek lächelte, und es war der listige Gesichtsausdruck eines Raubtiers. Er hatte Tammy schon die ganze Zeit über für seine Zwecke eingespannt. Falls sie glaubte, ihn mit Hilfe ihrer weiblichen Reize übertölpelt zu haben, sodass er ihr Ordensgeheimnisse verriet, dann war sie einfach nur eine dumme Schlampe, die es nicht anders verdiente, als von ihm benutzt zu werden. Trotzdem versprach das ein interessantes Ende für den Nachmittag zu werden. Und hatte das kleine Flittchen ihn nicht schon lange genug geneckt?
Tammy versuchte, Derek nicht zu wecken, als sie ihre Sachen zusammensuchte. Sie musste verdammt noch mal raus hier, und sie konnte es einfach nicht länger erwarten, endlich wieder in der Sicherheit des Châteaus zu sein und sich ausgiebig zu duschen. Tammy fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, den Gestank dieser Ordensfanatiker abzuwaschen.
Zum Glück war der schlimmstmögliche Fall nicht eingetreten. Tammy hatte richtig kalkuliert. Dereks Tabletten in Verbindungmit dem Alkohol und dem Mangel an Schlaf von vergangener Nacht hatten ihn schließlich einnicken lassen, bald nachdem sie auf dem Hotelzimmer angekommen waren.
Anfangs war es eine schwierige Kiste gewesen. Derek hatte sie überall betatscht, sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, aber Tammy hatte ihn geschickt abgelenkt, indem sie seine Aufmerksamkeit erneut auf das ihn beherrschende Thema gerichtet hatte: seinen Rivalen, John Simon Cromwell, zur Strecke zu bringen. Sie hatte ihm begreiflich gemacht, dass sie so viel Information wie möglich benötigte, wenn sie bei solch einem gefährlichen Spiel mitmachte. Derek hatte ihr geliefert, was er versprochen hatte, und noch mehr – Dokumente, Geheimnisse und die detaillierte Beschreibung eines besonders brutalen Mordes vor ein paar Jahren in Marseille.
Es hatte Tammy all ihre Beherrschung gekostet, sich bei Dereks Bericht über die Exekution eines Mannes aus dem Languedoc vor zwei Jahren nicht zu übergeben. Der Mann war geköpft und verstümmelt worden, und der rechte Zeigefinger wurde ihm abgetrennt, als Symbol für die Rache des Ordens. Das Wissen um solch einen Akt wäre für Tammy unter allen Umständen schrecklich gewesen; doch sie kannte den Toten auch noch. Es handelte sich um den früheren Großmeister der Gesellschaft der Blauen Äpfel. Derek durfte auf keinen Fall ahnen, dass sie das Verbrechen anhand seiner Beschreibung erkannte, und sie hatte sich standhaft bemüht, sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen.
Tammy war schon auf dem Weg zur Tür gewesen, als sie gegen eine Stehlampe stieß. Gerade noch rechtzeitig konnte sie deren Sturz aufhalten. Aber Derek, der auf dem Bett lag, hatte die Bewegung verspürt und drehte sich herum.
»He«, meinte er blinzelnd, »wohin gehst du?«
»Sinclairs Wagen bringt mich nach Arques zurück. Ich habe mich für heute Abend mit Maureen zum Essen verabredet.«
Er versuchte, sich aufzusetzen, fasste sich an den Kopf und stöhnte. »Oh, Maureen. Fast hätte ich
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