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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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sich selbst skizziert und das Bild dann in die androgyne Gestalt verwandelt, die wir heute kennen. Das war allesein einziger großer Witz für ihn, und wie du siehst, funktioniert er auch heute noch; schließlich stehen täglich Tausende Schlange, um sich das Bild anzusehen. Er hasste Frauen, weißt du? Er hat sogar die Restriktionen für weibliche Wesen im Orden verschärft; das war seine Art, alle Frauen für seine elende Kindheit zu bestrafen. Das steht in einem Zusatz im Wahren Buch des Heiligen Grals. Du wirst es ja sehen.«
    Derek fuhr mit einer kurzen Geschichte Leonardos fort. Er erzählte, wie der Künstler von seiner leiblichen Mutter verstoßen worden war und eine verstörende Kindheit mit einer schwierigen Stiefmutter verlebt hatte. Tatsächlich waren alle dokumentierten Beziehungen Leonardos zu Frauen negativ oder auf irgendeine Art traumatisch verlaufen. Historiker hatten seine Aversion gegen Frauen ausführlich untersucht, und sie berichteten auch, dass der Künstler mehrmals wegen homosexueller Umtriebe verhaftet worden war. Doch der schlimmste Fleck auf seiner reinen Weste kam, als Leonardo einen zehnjährigen Jungen als Lehrling annahm und ihn viele Jahre lang als Gefährten behielt. Während Leonardos Privatleben oft skandalös war, hielt er sich jedoch durch Malen für die Kirche und wohlhabende Gönner, die sich immer wieder für ihn einsetzten, über Wasser.
    »Jedes Mal, wenn er gezwungen war, eine Frau zu malen, wie bei der Mona Lisa , verwandelte er das in einen Witz, zu seiner eigenen Belustigung. So ging er damit um, wenn man ihn zwang, Dinge zu malen, die er nicht mochte.«
    Derek drehte sich wieder zur Felsgrottenmadonna um. »Die einzige Frau, von der wir wissen, dass er sie respektierte, war Elisabeth, die perfekte Frau und Mutter. Die echte Madonna. Schau, hier ist sie mit dem Arm um dieses Kind. Das ist eindeutig Johannes.«
    Tammy nickte. Das Kind in den Armen der Frau war ohne Zweifel Johannes der Täufer.
    »Und jetzt sieh dir Elisabeths linke Hand an. Sie stößt das Jesuskind von sich und zeigt ihm, dass es unter ihrem Kind steht.Leonardo hat Jesus sogar bildlich unter Johannes positioniert, um dessen Unterlegenheit zu zeigen. Und schließlich sieh dir die Augen des Erzengels Uriel an. Wen schaut er voller Verehrung an? Siehst du es in dem ersten Gemälde? Er zeigt auf Johannes, aber er macht auch die Erinnerungsgeste.
    Die Verfechter von der Unbefleckten Empfängnis waren mit dem ursprünglichen Bild und dessen offensichtlicher johannitischer Botschaft nicht glücklich. Sie ließen Leonardo ein zweites anfertigen und bestanden diesmal darauf, dass Maria und Jesus Heiligenscheine bekamen und dass der Engel nicht auf Johannes zeigen sollte. Jetzt schau mal hier, und was siehst du? Maria und Jesus haben einen Heiligenschein, aber Johannes auch. Er gab Johannes auch einen Taufstab, um es noch deutlicher zu machen, wer er ist, und ihm mehr Autorität zu geben. Wenn du dir diese beiden Bilder anschaust, wen, glaubst du, verehrte Leonardo als den wahren Messias und Propheten?«
    Tammy antwortete ehrlich: »Den Täufer. Eindeutig.«
    »Na klar. Der Erzengel Uriel bestätigt die Überlegenheit des Täufers wie auch die Mutter des Johannes. In unserer Tradition beten wir Elisabeth auf die gleiche Art an wie diese verblendeten Christen die Mutter Jesu. Unsere Mädchen werden in Elisabeths Bild erzogen, um wahre Töchter der Gerechten zu werden.«
    Tammy hob die Augenbrauen. »Und was genau bedeutet das?«
    Derek lächelte sie verschlagen an und rückte ein Stück näher. »Dass Frauen ihren Platz kennen sollten, und ihr Platz ist es, sich den Männern in ihrem Leben zu unterwerfen. Aber das ist nicht so schlimm, wie es klingt. Wenn sie erst einmal einen Sohn geboren haben, bekommen sie den Titel ›Elisabeth‹ und werden wie Königinnen behandelt. Du hättest mal die Diamanten sehen sollen, die meine Mutter für jeden von uns bekommen hat. Glaub mir, wenn du ihr überprivilegiertes Leben sehen könntest, würdest du kein Mitleid mit ihr empfinden.«
    »Und du teilst diese Vorstellung, dass die Frau dem Manne untertan sein soll?« Tammy hielt ihm stand und versuchte, ihre wachsende Nervosität nicht zu zeigen.
    »Wie ich gesagt habe, bin ich so erzogen worden. Für mich ist das okay.« Er zuckte mit den Achseln.
    Tammy schüttelte den Kopf, dann begann sie zu lachen, halb ironisch, doch halb auch, weil ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren.
    »Was?«, fragte Derek.
    »Ich habe nur

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