Das Magische Labyrinth
diesem Moment nämlich liebend gerne einen Tritt in den Arsch geben.
Aber gut, dann geh den Fluß hinunter, mein blasser Moses. Aber ich verlange von dir, daß du jedem Bischof, dessen Weg du kreuzt, eine Botschaft überbringst. Sage ihnen, daß Bischof Ch’agii jedem seine besten Grüße sendet. Und sage ihnen auch dies: Manche Vögel halten sich für Würmer.«
»Was bedeutet das?«
»Ich hoffe, daß du es eines Tages herausfindest«, sagte Ch’agii. Er streckte die Rechte aus, spreizte drei Finger und segnete ihn. Dann schloß er Hermann in die Arme und küßte ihn auf den Mund. »Geh jetzt, mein Sohn, und möge dein Ka ein Ech werden!«
»Mögen unsere Echs Seite an Seite fliegen«, sagte Hermann formell. Während die Tränen über seine Wangen strömten, verließ er die Hütte. Er war schon immer sentimental gewesen. Aber er redete sich ein, daß er weinte, weil er den kleinen, dunkelhäutigen, salbungsvoll redenden Mann in sein Herz geschlossen hatte. Im Seminar hatte man ihm den Unterschied zwischen Liebe und Zartgefühl eingebläut. Was er diesem Mann gegenüber verspürte, mußte Liebe sein. Oder nicht?
Wie der Bischof in einer seiner Reden ausgeführt hatte, würden seine Zuhörer den Unterschied erst dann richtig kennen lernen, wenn sie genug Praxis aufwiesen, um mit beidem fertigzuwerden. Aber wenn sie nicht genügend Intelligenz aufwiesen, würden sie nicht einmal dann die beiden Begriffe voneinander trennen können.
Das Floß, mit dem er seine Reise unternehmen würde, hatten Hermann und die sieben, die ihn begleiten sollten, selbst gebaut. Eine seiner Begleiterinnen war Chopilotl. Hermann blieb an ihrer Hütte stehen, um sie und ihre Habseligkeiten mitzunehmen. Chopilotl hielt sich mit zwei Nachbarfrauen im Freien auf und stellte den Götzen gerade auf einen hölzernen Schlitten. »Du willst das Ding doch wohl nicht mitnehmen?« fragte er sie.
»Natürlich werde ich das«, sagte sie. »Wenn ich das nicht täte, wäre es das gleiche, als würde ich mein Ka hier zurücklassen. Und außerdem ist sie kein Ding. Sie ist Xochiquetzal.«
»Wie oft soll ich dir noch sagen, daß sie lediglich ein Symbol ist?« sagte er finster.
»Dann brauche ich eben mein Symbol. Ohne sie würde ich nur Pech haben. Und sie würde sehr wütend werden.«
Er war frustriert und beunruhigt. Dies war der erste Tag seiner Mission, und schon wurde er mit einer Situation konfrontiert, mit der er nicht fertig wurde.
»Denke an den Tod, mein Sohn, und zeige dich weise«, hatte der Bischof während einer Vorlesung gesagt und den Prediger zitiert.
Er mußte sich so verhalten, daß das Endresultat der Lösung dieses Problems das richtige sein würde.
»Die Sache ist so, Chopilotl«, sagte er deshalb geduldig. »Es ist schon in Ordnung – zumindest nichts Schlechtes –, in diesem Land einen Götzen zu haben. Die Leute hier verstehen das. Aber die, die anderswo leben, verstehen es vielleicht nicht. Wir sind Missionare, und unsere Aufgabe besteht darin, die anderen dazu zu bewegen, zu der Religion überzutreten, die wir für die wahre halten. Wir besitzen eine Autorität, die uns den Rücken stärkt, und zwar die Lehren La Viros, der von einem der Schöpfer dieser Welt erleuchtet wurde.
Aber wie sollen wir jemanden von unserem Glauben überzeugen, wenn einer von uns wie ein Götzenanbeter erscheint und eine Figur aus Stein anbetet? Und die Figur ist nicht einmal sonderlich schön, sollte man hinzufügen, auch wenn das überhaupt keine Rolle spielt.
Die Leute werden uns verhöhnen. Sie werden sagen, wir seien unwissende und abergläubische Heiden. Und wir stünden dann als Sünder da, weil wir ihnen ein völlig falsches Bild von der Kirche vermittelt hätten.«
»Dann sagen wir ihnen eben, daß es nur ein Symbol ist«, erwiderte Chopilotl stur.
Seine Stimme wurde lauter. »Ich sagte doch schon, daß sie es nicht verstehen würden! Abgesehen davon wäre das auch eine Lüge. Es ist doch offensichtlich, daß das Ding für dich mehr ist als nur ein Symbol.«
»Würdest du etwa deinen Spiralknochen wegwerfen?«
»Das ist etwas anderes. Der Spiralknochen ist ein Zeichen meines Glaubens. Er zeigt meine Zugehörigkeit an. Es ist doch nicht so, daß ich ihn anbete.«
In ihrem dunklen Gesicht blitzten weiße Zähne. »Wenn du ihn wegwirfst, schwöre ich auch meiner geliebten Göttin ab.«
»Unsinn!« sagte Hermann. »Du weißt, daß ich das nicht tun kann. Du redest Schwachsinn, Hure.«
»Du wirst ganz rot im Gesicht«, sagte
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