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Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange

Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange

Titel: Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Bryan
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höher als alle anderen, abgesehen vom König selbst.
    Das war ihr Vorteil. Sie hatte die Absicht, ihn auszunutzen.
    Als sie in Richtung Tür ging, legte Jennet ihr die Hand auf den Arm und hielt sie auf. »Seid Ihr sicher, Comtesse? Wollt Ihr heute nicht lieber ausruhen und morgen frisch zu Werke gehen?«
    »Ich bin mir sicher«, erwiderte Averil. Je eher sie dem König gegenübertrat, desto eher war die Schlacht geschlagen.
    Jennet schüttelte den Kopf, doch sie kannte Averil zu gut, um ihr zu widersprechen. Sie nahm ihren Platz neben ihrer Herrin ein. Die übrigen Zofen folgten ihnen in Zweierreihen. Wie eine mit Edelsteinen geschmückte Armee marschierten sie in die große Halle ein.
    »Averil Marguerite Emeraude Madeleine de Fontevrai«, rief der Herold an der Hallentür aus, »Herzogin von Quitaine.«
    Der Lärm von Musik und Gelächter verstummte. Alle Augen waren auf die Frau gerichtet, die in der Tür stand.
    Averil gab sich keine Mühe, zwischen all den Lichtern und Farben einzelne Gesichter auszumachen. Sie nahm die Halle in Augenschein, wie zuvor die Stadt, und verschaffte sich einen ersten Eindruck von ihrer Form und ihrer Atmosphäre.
    Alles erinnerte in bemerkenswerter Weise an das Rosenfenster einer Kathedrale: ineinander verschlungene Kreise, die Muster aus schimmerndem Licht bildeten. Da standen Höflinge in Cotten, mit Ärmeln, die den Boden streiften, und Hofdamen in Gewändern, die so tief ausgeschnitten und eng waren, dass sich Averil neben ihnen fast schäbig vorkam, mit zu hauchfeinen Linien gezupften Augenbrauen und blutrot geschminkten Lippen und Haaren, die goldener leuchteten als jede natürliche Haarfarbe. Da ihre Brauen und Lippen so aussahen, wie die Natur sie ihr geschenkt hatte, und der rotgoldene Farbton ihres Haars offensichtlich nicht der derzeitigen Mode entsprach, geriet Averil kurz in Panik, kam jedoch schnell darüber hinweg.
    Sie war, wie sie war. Ob ihr die Mode nun folgen würde oder nicht. Sie hatte sich noch nie nach der Mode gerichtet und würde auch jetzt nicht damit anfangen.
    Sie holte tief Luft. Der Hof regte sich wieder. Sie rauschte die lange Treppe hinunter und mitten hinein in die Menge.
    Sie hatte sich nicht bemüht, den König unter all den glitzernden Wesen zu suchen. Er dagegen war weitaus höflicher. Er wartete im Zentrum der Halle auf sie, der einzige Mann, zu dem alle gebührenden Abstand hielten. Als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, war er aus Fontevrai fortgeritten, von Engelsstimmen verfolgt. Nun wirkte er weniger gehetzt, aber immer noch ziemlich lächerlich in seinen altertümlichen Gewändern und mit seinem wallenden, lockigen Haar und dem Rauschebart. Wenn Averil nicht der Mode entsprach, so befand er sich so weit jenseits davon, dass ihm nichts anzuhaben war.
    Was sie für ihn empfand, war nicht in Worte zu fassen. Das Wort Hass war zu klein, das Wort Abscheu zu belanglos.
    Er war dabei, das Herz seines eigenen Königreiches zu zerstören, indem er seine jungen Männer ihrer Seelen beraubte und seine Priester und Magier korrumpierte. Er hatte die Ritter der Rose zerschmettert und jedes ihrer Ordenshäuser in Lys niedergerissen. Er war der schlimmste Feind, den dieses Königreich je gehabt hatte, und er war sein gesalbter König.
    Sie verbeugte sich vor seinem Rang, was sie vor ihm als Mensch nie und nimmer getan hätte. Es war ein Akt der Ehre und des Respekts, wie wenig er beides auch verdient haben mochte.
    Mit einstudierter Anmut hieß er sie, sich zu erheben. Seine Hände waren trocken und kühl; seine Berührung dauerte nicht an, wofür sie dankbar war. »Verehrte Comtesse«, sagte er.
    »Eure Majestät«, erwiderte sie.
    »Ich möchte Euch hier aufs Herzlichste willkommen heißen«, sagte er. »Eure Zimmer — genügen sie Euren Ansprüchen? Seid Ihr mit Euren Dienerinnen zufrieden?«
    »Man kümmert sich gut um mich«, sagte sie. »Ich danke Euch.« Er verbeugte sich lächelnd. Hätte sie all das vergessen können, was er getan hatte und alles, was er nach ihren Befürchtungen tun würde, hätte sie ihn vielleicht charmant gefunden. Er spielte dieses höfische Spiel äußerst gekonnt. Wahrscheinlich war sie am besten beraten, seinem Beispiel zu folgen. Die Ironie dieses Gedankens brachte sie zum Lächeln. Er erwiderte ihr Lächeln, wobei er mit seinem blonden Haar und den großen blauen Augen wie das reinste Unschuldslamm wirkte.
    »Kommt, Herzogin«, sagte er, ergriff ihren Arm und brachte sie mit sanfter Gewalt dazu kehrtzumachen.

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