Das magische Schwert
stimmt nicht!«, schrie Neel, wobei ihm nicht klar war, dass Treb gar nicht den ganzen Wortwechsel zwischen ihm und Tomik gehört hatte. Treb bezog sich auf ihren Streit, auf nichts mehr.
Treb ließ sie los und beide schwankten.
»Ihr beide geht jetzt ins Krähennest«, sagte er. »Da oben könnt ihr euch anjaulen, so viel ihr wollt.«
»Treb!«, protestierte Neel.
»Winsel mir nichts vor, Cousin. Ich weiß, du kannst ihn nicht ausstehen. Ich auch nicht. Aber wenn du nicht lernen willst, wie man hasst und darüber den Mund hält, dann tob dich da oben weiter aus und lass es raus aus dir, aber geh mir aus dem Weg!«
Tomik verstand das Gespräch nicht. Sie hatten zu schnell auf Romanes gesprochen. Aber es war ihm völlig klar, was man von ihm erwartete, als ihn Treb bei den Schultern packte und auf die Webeleinen stellte, die leiterähnliche Konstruktion aus Seilen, die sich vom Deck bis zur Spitze des Hauptmasts erstreckte.
Treb zeigte zum Himmel. »Rauf.«
»Vielleicht fällt er runter«, sagte Neel hoffnungsvoll.
Treb langte nach ihm.
»Fass mich nicht an!« Neel sprang nach der ersten Sprosse der Webeleinen. »Ich geh ja schon!« Er zog sich hoch und fing an, die Seile emporzusteigen, an Tomik vorbei.
Auf der Pacolet hatte Tomik jeden Tag Seeleute die Webeleinen zu den Segeln an den beiden Masten hochklettern sehen. Näher zu den Mastspitzen wurden die rechteckigen Segel kleiner. Neel kam an dem unteren großen Segel vorbei und blickte zurück. »Vorsicht!«, rief er. »Oder du bist futsch und weg!«
Tomik beschloss, dass er die Höhe nicht mochte.
Die Taue knirschten unter seinen Händen und Füßen. Er folgte Neel und kletterte nun amToppsegel vorbei. Das Schwanken des Schiffs wirkte sich stärker aus, je höher er kam, und das Krähennest kam ihm vor wie ein brauner Fleck, den er niemals erreichen würde.
Tomik griff die Seile so fest, dass er allmählich Blasen an den Händen bekam. Aus Angst verspannte er sich so sehr, dass sein rechtes Bein zitterte. Das Deck war weit unter ihm. Er erstarrte.
Neel kletterte in das Krähennest. Er blickte nach unten. »Ich sehe da einen Feigling.«
Tomik trieb sich weiter vor. Sein Fuß rutschte ab und sein Bein baumelte im Leeren. Seine Kniekehle blieb am Seil hängen. Tomik nahm sich zusammen, atmete tief durch und kletterte weiter. Die Webeleinen waren nun dichter am Mast und er kletterte am Bramsegel vorbei.
Dann hievte er sich in das Krähennest, das kaum mehr war als ein offenes Holzfass. Er sackte auf dem Boden zusammen.
Neel rekelte sich - soweit das der enge Platz zuließ. Das Krähennest schwankte vor und zurück. »Denk dran, wir müssen auch wieder zurück nach unten.«
Tomik starrte ihn an.
»Das geht leichter«, sagte Neel, und seine Stimme verlor
die spöttische Schärfe. »Ein richtiger Kerl ist für alles zu gebrauchen.«
Tomik stand auf und beugte sich über den Rand des Fasses. Das Deck unten sah aus wie ein Pantoffel. Der Horizont war eine verschwommene Linie.
Sein Pulsschlag fing gerade an, sich zu beruhigen, als eine Möwe vorbeiflog und ihm einen weißgrünen Klacks auf den Kopf fallen ließ.
Neel brüllte vor Lachen. Sein ganzer Körper bebte und Tränen quollen ihm aus den Augen.
»Das ist nicht lustig«, sagte Tomik.
»Es … ist … zu …«, keuchte Neel.
Tomik überlegte, Neel aus dem Krähennest zu schmeißen, doch dann überkam es ihn plötzlich, wie albern die ganze Situation war. Ihm war bewusst, wie lächerlich er aussah mit der Möwenkacke, die ihm durch die Haare sickerte. Und Neel trug das Seinige dazu bei, wie er sich vor Lachen krümmte. Ohne es zu wollen, lächelte Tomik.
Er setzte sich neben Neel. »Ich glaub nicht wirklich, dass du schuld bist.«
Neel hörte auf zu lachen. »Ich auch nicht.«
»Ich hab das mit dem Schlupflochstrand nur gesagt, um dich zu reizen.«
»Hat ja auch geklappt.«
»Aber ich mag dich immer noch nicht.«
»Oh,Tom.« Neel wischte sich die Tränen weg. »Warn mich doch das nächste Mal, bevor du mir das Herz brichst.«
Tomik wusste nicht genau, wie lange sie schon hier oben waren. Er war nicht eingedöst, doch er fühlte sich auch nicht richtig wach.
Das Krähennest schaukelte, und jedes Mal wenn er die Augen aufmachte, überraschte es ihn, wie weit er von seinem Dorf und allem, was er kannte, entfernt war.
»Wir steigen jetzt runter«, sagte Neel unvermittelt.
»So?«, antwortete Tomik, immer noch verträumt.
»Ja.«
Es ging wieder ein Wind, aber sanft. Er ließ Tomiks
Weitere Kostenlose Bücher