Das magische Schwert
hatte sie gedacht, sie könnte vor dem Ende dieser Zeitspanne entkommen.
»Alles, was es wert ist, gelernt zu werden, braucht Zeit«, sagte Dee.
»Ich hab keine Zeit.«
»Was schlägst du dann vor?«
Petra überlegte, was sie von John Dee wusste. Er hatte Spaß am Feilschen. Er forderte Petra ständig heraus, entweder durch Spott, Überlistung oder Provokation. Er schien (Petra zwang sich, das zuzugeben) von ihr fasziniert zu sein. Er schien sich Gedanken über den Tod des Westens zu machen und was Petra damit wohl zu tun hatte.
»Ich schlage vor«, sagte Petra, »dass wir an unserer ursprünglichen Abmachung festhalten. Außer …«
»Außer?« Er war amüsiert.
»Es sei denn, ich löse das Rätsel, wer Gabriel Thorn getötet hat. Dann schickt Ihr mich auf der Stelle zurück nach Okno.
Mit allem, was ich besitze«, fügte sie hinzu und dachte an das Schwert ihres Vaters.
Dee lachte.
»Und«, fügte sie weiter hinzu. »Ihr unterbrecht die Verbindung zwischen unseren Köpfen.«
»Dieser Punkt ist nicht verhandelbar. Eine mentale Verbindung wie diese kann nur von der Person unterbrochen werden, die sie geformt hat, oder von denen, denen die verbundenen Köpfe gehören. Ich werde die Verbindung nicht trennen, und das bedeutet, dass du die Einzige wärst, die es tun könnte. Irgendwie glaube ich aber nicht, dass ich dir beibringen werde, wie das geht.«
»Aber dem Rest stimmt Ihr zu?«
»Warum nicht? Du hast auf der Salamanderburg bewiesen, dass du - ordentlich motiviert - dich selbst übertriffst. Diese Abmachung macht dich vielleicht zu einer willigeren Schülerin. Aber natürlich ist unser Handel nur dann bindend, wenn du entdeckst, wer Gabriel umgebracht hat, noch bevor ich das herausfinde.« Das ließ er sie erst mal verdauen. Es war nicht sehr wahrscheinlich, dass Petra Dee in einem Rennen schlagen konnte, in dem all seine Verbindungen und Erfahrungen ihm mehr als nur einen Vorsprung gaben.
Aber Petra hatte, was sie wollte: eine Chance.
Sie nickte. Dann bemerkte sie, dass der Ruderer sie missbilligend anblickte. Petra beachtete ihn nicht weiter, und er sagte auch nichts, denn er war es gewöhnt, nicht weiter beachtet zu werden.
Auf der Webeleine
N EEL DREHTE einen kleinen goldenen Ohrring zwischen den Fingern. Er hatte ihn in Sallay zusammen mit einem Ballen roten Stoffs für Sadie gestohlen.
In der Nacht, in der die Pacolet vor fast zwei Wochen von Sallay abfuhr, hatte er Mandeln gegessen, bis er Magenkrämpfe bekam.Wenn er heute den roten Stoff für seine Schwester ansah, ging es ihm eher noch schlechter als damals. Er musste an ihren Abschied denken. Während die anderen Lovari rühmten, wie Neel den Prinzen von Böhmen bestohlen hatte, war Sadie still und wütend geblieben. Als sie dann schließlich etwas sagte, war es nur, um mitzuteilen, dass sie in Prag bliebe.
Neel hatte sie verspottet. Er sang Lieder über einen Stallknecht der Burg, der ihr Herz gestohlen haben musste (es war ihm nicht klar gewesen, dass er vielleicht die Wahrheit sang). Sie wurde immer wütender, bis schließlich die ganze Wucht ihrer Gefühle sie in Lachen ausbrechen ließ. Sie hatte ihn umarmt und mit gesenkter Stimme gesagt: »Wenn du erwischt worden wärst, hätten sie dich einfach umgebracht.«
Neel wünschte, sie wäre hier und nicht in der Salamanderburg versteckt, wo sie Nachrichten über die weißen Händler rausschmuggelte, denen die Roma vertrauten. Sie fehlte ihm.
Sadie war gut. Eine helle Flamme, die alle um sie herum zum Glühen brachte.
Neel empfand sich nicht als einen guten Menschen.
Er machte den Ohrring auf.
Da erschienen ein paar Füße auf der Leiter, die von der Luke in der Decke herabführte.
»Neel, was machst du denn hier unten?«, wollte Nadia wissen. »Du sollst doch mit uns anderen arbeiten.«
»Und du solltest daran arbeiten, Brishens Blick auf dich zu ziehen, weil das von alleine nie passiert«, spöttelte er. Er richtete das spitze Ende des offenen Rings auf sein linkes Ohrläppchen.
»Wenn du das so machst, holst du dir eine Entzündung«, sagte Nadia.
Er stieß den Ohrring durch. Er hörte und spürte gleichermaßen das leise Plop , als er ihn ganz durch sein Fleisch stach. Dann drückte er den Ring zusammen und wischte das Blut zwischen Daumen und Zeigefinger ab. Sein Ohrläppchen pochte, aber das war ihm egal. Es war jetzt genauso wütend wie er selbst.
»Mein Feuer brennt ganz gut, warum kümmerst du dich nicht um deines«, sagte Neel zu Nadia, indem er eine Redewendung der
Weitere Kostenlose Bücher