Das magische Schwert
Lovari gebrauchte.
»Die Maraki haben keine Lagerfeuer, wir leben auf Schiffen.«
»Ich bin kein Maraki, und du weißt genau, was ich damit meine.«
»Tut mir leid.« Ihre Stimme klang rau, wie bei jemandem, der sich erst dann entschuldigen kann, wenn er sich erst mal verhärtet hat. »Es tut mir leid, dass ich das gesagt habe, was ich an dem Abend gesagt hab, bevor wir nach Sallay gekommen
sind. Ich hab das nicht so gemeint. Es spielt keine Rolle, wer in welchem Stamm ist.Wir sind beide Roma.« Sie setzte sich in die Hängematte neben der von Neel. »Ich weiß, was dein Problem ist.«
Aus lauter Vorsicht bemühte er sich, keine Miene zu verziehen.
»Es ist wegen ihm«, sagte Nadia.
Neel fiel in seine Hängematte zurück und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. »Ich hasse ihn.« Er stöhnte.
»Und warum ist er dann noch auf dem Schiff? Du hast uns schließlich dazu gebracht, ihn zu behalten.«
Neel war das völlig klar, und er verstand selbst nicht, warum alle seine Gründe, das zu tun, jetzt so blass und unbedeutend gegenüber seiner Feindseligkeit erschienen. Es wäre nicht richtig gewesen, Tomik als Sklaven zu verkaufen, und Neel konnte doch mit dem Gadsche arbeiten, wenn es sein musste, genauso, wie sie beide es für die Wahrsagerei in Sallay geplant hatten. Doch nun sollte dieser hübsche weiße Außenseiter, der zufällig auch noch Petras ältester Freund war, hierbleiben - und war, zu Neels empörter Überraschung, auch noch zum Lieblingskind auf der Pacolet geworden.
Zumindest schien Nadia nicht besonders angetan von ihm zu sein. »Wenn ich an Deck gehe«, fragte er sie, »lässt du mich dann in Ruhe?«
»Ja.« Sie griff in Tas’ Kiste und nahm eine Flasche heraus.
»Was hast du …«
»Halt still«, befahl sie und packte Neels Kopf. »Oder das entzündet sich wirklich.« Mit den Zähnen entkorkte sie die Flasche und goss Alkohol auf sein Ohr.
Er schrie auf.
Es war schon erstaunlich, dass Tomik an Bord der Pacolet so beliebt wurde. Immerhin waren die Seeleute bereit gewesen, ihn in die Sklaverei zu verkaufen, und der Kapitän hatte sich über ihn aufgeregt. Selbst als Treb Kurs auf England nahm, beschwerte er sich noch bei jedem, der es hören wollte, dass der Gadsche die Wahrsagung versaut hätte, und wenn sie nun auf ein Phantom statt auf den Himmelsglobus Jagd machten, dann wäre das nur Tomiks Schuld. Aber vom ersten Tag an, nachdem Marokko am Horizont verschwunden war, schwärmten die Maraki für Tomik mit dem unbeschwerten Gefühl, von Schuld befreit zu sein.
Sie sahen aber auch, dass Tomik sich sehr bemühte. Er lernte schneller Romanes, als irgendjemand vermutet hätte. Er studierte die einzelnen Schiffsteile und stellte Fragen. Zuerst taten die Maraki so, als fühlten sie sich belästigt, doch bald ließen sie es zu, sich einfach geschmeichelt zu fühlen.
Tomiks Sonnenbrand hatte sich in ein helles Braun verwandelt, sein Haar leuchtete in einem hellen Gold, sein Lachen war offen, und er schien vergessen zu haben, dass die Seeleute ihn einmal gefangen gehalten hatten.
Die einzige Person, die Tomik mied, war Neel, was alle für seltsam hielten, denn Neel hatte gewütet, gedrängt und die Maraki beschimpft, ihn zu behalten.
Nachdem die Familien vom Schlupflochstrand in Sallay von Bord gegangen waren, waren Neel und Tomik die Jüngsten an Bord, wenn auch nur um wenige Jahre.Vielleicht war es natürlich, dass Tomik zum Liebling der Maraki wurde, die ihm dieselbe Zuneigung zeigten, wie sie es bei einem jungen Hund getan hätten, der seine ersten wackeligen Schritte versucht.
Es kam Neel nicht so vor, als würde er selbst anders behandelt, denn die Maraki sahen ihn als gleichgestellt an.
Während Neel unter Deck die Flasche aus Nadias Hand schlug und sie verfluchte, machte Tomik eine Entdeckung.
An dem Tag gab es nur wenig Wind. Nachdem die Pacolet Marokko hinter sich gelassen hatte, war sie nach Westen an den kanarischen Inseln vorbeigesegelt. Allmählich würde sich das Schiff nach Nordost wenden und auf England zu, doch nicht bevor es weiter in den westlichen Ozean gefahren war. Diese Route bedeutete, dass die Pacolet gute Strömungen und die Passatwinde nutzen konnte, die das Vorankommen beschleunigten. Doch man kann dem Wind nicht vertrauen. Auch er hat seine faulen Tage.
Tomik hatte wenig zu tun. Er stand an der Reling und der Schweiß rieselte ihm über den Rücken. Ihm war heiß und langweilig. Er hatte den Maraki, die nicht arbeiteten, angeboten, mit ihnen zu fischen,
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