Das magische Schwert
Vater ebenso sehen. Es war kein Geheimnis, dass es ein Wettkampf war, den Habsburger Kaisertitel zu erben, wobei sein Vater der einzige Schiedsrichter und seine beiden Brüder die Gegner waren. Doch wenn Kaiser Karl seinen Nachfolger ernannte, würde Rodolfo gewinnen.
Es war ein weiter Weg von seinen Gemächern bis zum Denkerflügel. Doch der Prinz bildete sich etwas darauf ein, den Menschen, deren Leben er dabei war zu verändern, selbst gegenüberzutreten. Das war Ehrensache.
Weil der Prinz geradezu vor Energie knisterte, konnte er Mikal Kronos nur voller Abscheu betrachten. Der gebrechliche Uhrmacher schleppte sich mühsam dahin, als der Prinz den Raum betrat, und ein Stück Metall, das durch die Luft geschwebt war, stürzte dem Mann abrupt vor die Füße. Mikal Kronos verbeugte sich, doch der Prinz wusste, dass das kein Respekt war. Es lagen Wut in den gebeugten Schultern des Uhrmachers und Kummer und Sorge.
»Euer Hoheit«, fing der Uhrmacher an, »ich mache Fortschritte.«
»Weißt du, welches Märchen ich als Kind am liebsten hatte?«
Der Mann machte den Mund auf und schloss ihn dann wieder. Jede Antwort führte in eine Falle.
»Keines«, beantwortete der Prinz seine eigene Frage, »denn ich hatte nie Spaß daran, eine Geschichte zweimal zu hören.«
»Vergebt mir, aber ich weiß nicht, was Ihr damit meint.«
»Dann erkläre ich es dir. Deine Uhr ist mir egal. Du bist mir egal. Ich brauche dich nicht.« Plötzlich wütend über sich selbst, verbesserte sich der Prinz. »Ich habe dich und deine Erfindung niemals gebraucht.«
Kaum waren diese Worte ausgestoßen, senkte sich Frieden über den Prinz. Er stellte sich die Mercatorgloben vor. Im Geist liebkoste er sie.
»Euer Hoheit, wenn Ihr nicht länger wollt, dass ich das Herz der Uhr erneut baue, dann …«
Die Frage stand Mikal Kronos deutlich ins Gesicht geschrieben: Was wird dann aus mir?
»Ich habe andere Pläne mit dir.«
Die Wochen zogen sich dahin. Rodolfo dachte an die beiden Labors im Denkerflügel, die nun leer standen, er dachte an das Datum von Novaks Brief und fragte sich, ob er nicht einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Der Prinz blickte in den Spiegel und sah die bläulichen Schatten schlafloser Nächte unter seinen Augen. Er berührte die zarte Haut und dachte an Stürme, Seeschlachten und gesunkene Schiffe.
War da etwas schiefgegangen? Warum hatte er keine Nachrichten erhalten? Und am wichtigsten:Wo war der Erdglobus?
Der Prinz stäubte etwas bleichen Puder über seine Wangen, um die Schatten zu verdecken. Er musste Ruhe bewahren.
Aber heute, bei einem Mittagessen mit zwitschernden Damen und Herren, ließ jemand eine Gabel fallen. Das metallische Klirren, als sie auf dem Boden aufschlug, fuhr dem Prinzen durch den Kopf wie das Läuten einer schrillen Glocke. Er dachte an den Uhrmacher und seine unerfreuliche Tochter, die irgendwie immer noch nicht aufgetaucht war. Sie war in gleicher Weise nicht anwesend wie der Erdglobus.
Rodolfo stand von der Tafel auf und verließ den Raum. Er stolzierte in seine Privatgemächer und befahl allen, ihn nicht zu stören. Dann stand er vor dem verzauberten Fenster in seinen Räumlichkeiten. Der Flieder blühte. Dafür war es noch viel zu früh im Jahr, Schnee bedeckte noch den Boden, doch mit Magie kann vieles vollbracht werden. Der Anblick der Bäume hätte ihn in gute Stimmung versetzen sollen. Das weiche Purpur ihrer Blüten hatte noch nie versagt, wenn es darum ging, ihn mit ihrer Schönheit zu besänftigen.
Stattdessen ballte er die Faust. Er schmetterte sie nicht gegen das Fenster, denn selbst in seiner Verdrossenheit war er sich dessen bewusst, dass Schlagen etwas war, das schmutzige Männer bei Kneipenschlägereien machten. Seine Finger krümmten sich, und mit der Rückhand ging er gegen das Fenster vor, das nicht splitterte, denn das Fenster war verzauberter Fels. Seine blutigen Knöchel wussten das auch.
Warum brachte ihn der Gedanke an die Tochter des Uhrmachers so durcheinander?
Er erinnerte sich daran, wie er sie befragt hatte, hier, genau in diesem Raum. Für eine Dienerin war sie mutig gewesen. Sie sprach mit einem ländlichen Akzent, der ihm durch Mark und Bein ging. Doch an ihr war etwas Geheimnisvolles … Rodolfo verfluchte sich selbst. Er hätte auf seine Instinkte hören sollen. Das Mädchen hatte ihn an etwas erinnert. Jetzt
wusste er, dass ihr Gesicht dem ihres Vaters ähnlich war. Doch es war mehr als das. Er war sich sicher, dass er ihr Gesicht - nicht das
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