Das magische Schwert
hatte erzählt, dass er hier in der Nähe wohnte, und er hatte ihr gestanden, er wollte nicht, dass sie England verließe.
Hatte er ihr deshalb nichts von seinem Gespräch mit Jessie erzählt? Gab Kit lediglich vor, er würde Petra helfen? Vielleicht versuchte er ja wirklich nur, sie hier zu halten?
Petra ging schneller.
Als sie die Shoe Lane erreichte, fing sie an, Fremde anzuhalten und nach Kit zu fragen. Sie wechselte von einer Straße in die nächste, doch ohne Erfolg.
Sie trat in einen Haufen mit Abfall.
Wo war er?
»Tom.« Neel stieß ihn an.
Auf ihrem Weg zurück in die Freibezirke starrte Tomik stur geradeaus.
»He!«, drängte Neel.
»Ich red nicht mit dir.Wenn du Petra nicht finden willst, ist das dein …«
Neel zog Tomik an der Schulter, bis er anhielt. »Sieh mal!« Er deutete auf Tomiks Tasche.
Sie glühte.
Neel und Tomik waren schon fast an den Freibezirken, als sie mit eifrigen Füßen nach Westen abdrehten. Sie rannten los und der Glühstein leuchtete in einem tiefen und immer helleren Blau.
Neel schnappte nach Luft und Tomik riss den Blick vom Kristall.
Da, keine drei Meter vor ihnen, stand ein großes Mädchen. Ihr dunkles, schimmerndes Haar war offen, ihr Kinn ein bisschen eckig. Sie runzelte die Stirn in einer Art, die sie beide sehr gut kannten.
Tomiks Schrei war voller Triumph. »Petra!«
In den Freibezirken
A LS SIE ihren Namen hörte, drehte sie sich um. Ihre Silberaugen blitzten auf wie Sterne. Dann schoss sie zu ihnen hinüber und sprang Tomik in die Arme, der sie auffing und herumwirbelte.
»Lass mich runter!« Sie lachte und wollte gar nicht, was sie sagte.
Und das war gut so, denn Tomik ließ sie nicht los, bis sich Neel räusperte.
Ein Zinnbein bohrte sich zwischen Petras Haaren hervor und schob sie beiseite. »Tomik! Neel!« Astrophil hockte wie üblich auf ihrem Ohr und winkte mit einem seiner Beine. »Wie merkwürdig, euch hier zu treffen! Seid ihr es wirklich?«
Petra drehte sich zu Neel um. Unsicher und steif stand er da. Sie schob ihre Hand in seine. Ihre Hand hatte sich seit der Zeit, als sie einen Blutschwur füreinander abgelegt hatten, sehr verändert. Sie war hart wie die Pfote eines Tiers geworden. Neel drehte ihre Handfläche nach oben und fuhr mit dem Daumen über ihre Fechtschwielen.
Lauernd sagte er: »Also gut, Petali, was führst du im Schilde?«
Petra lächelte, und ihr Gesicht zeigte eine Freude, die nur zum Leben erwacht, wenn ein unmöglicher Traum wahr wird.
Während ihre Freunde sie durch die Freibezirke führten, sprudelte sie vor Fragen über. Dieser Teil der Stadt, der sie einmal so neugierig gemacht hatte, wurde plötzlich uninteressant in Anbetracht des Wunders, das Tomik und Neel vor ihr hatte auftauchen lassen.
»Wie seid ihr hergekommen?«, fragte sie.
»Per Schiff«, sagte Tomik.
»Aber woher kennt ihr euch überhaupt, du und Neel?«, fragte Petra.
Neel blickte Tomik wachsam an.
»Tja«, fing Tomik an, »als du aus Okno verschwunden bist, habe ich nach dir gesucht und … bin verloren gegangen. Ich bin über Neel gestolpert, und … zuerst wussten wir nicht, wer der andere war. Aber dann haben wir es herausbekommen und … sind Freunde geworden.«
»Genau«, sagte Neel.
»Wie habt ihr uns gefunden?«, fragte Petra.
»Und woher habt ihr gewusst, dass wir in London sind?«, fügte Astrophil hinzu.
Tomik stieß die geschlossene Faust tief in die Hosentasche.
Neel antwortete: »Einfach Glück, denke ich.«
»Glück?«, fragte Astrophil.
»Ich glaube euch nicht«, erklärte Petra.
»Also, es ist ein bisschen komplizierter als Glück«, gab Neel zu. »Wir sind zu einem Wahrsager gegangen und …«
»Du hast wahrgesagt?«
»Du brauchst jetzt nicht alle Möglichkeiten aufzählen, warum ich nicht der schlauste Kerl bin, der je geboren worden ist. Das hab ich alles schon früher mal gehört. Aber das Wahrsagen hat uns eben den Hinweis geliefert, wo du warst. Während des Wahrsagens hat Tomik nach dir gefragt.«
»Neel hat gesagt: ›London‹«, ergänzte Tomik, »und dann hat er noch etwas erwähnt, was wir nicht verstehen. Er hat ein englisches Wort gesagt: ›Cotton‹.«
»Wartet«, sagte Petra. »Ihr meint doch nicht etwa Robert Cotton, oder?«
Sie saßen in Neel und Tomiks Zimmer im Haus zum Speichenrad. Um einen kleinen Tisch gedrängt, an einem noch kleineren Fenster unterhielten sich die Freunde stundenlang. Sie sprachen nicht über alles, was ihnen passiert war, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten,
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