Das Mal der Schlange
sich an das Treffen im Pantheon. Damals hatte er unbewusst Sistos Todesurteil gesprochen. Ilaria hatte sie belauscht und erkannt, dass der Älteste immer noch ein mächtiger Mann war. Zu mächtig für ihren Geschmack.
Tristans Finger zitterten, als er nach seiner Tasse griff.
Er hatte eine Lawine losgetreten, die er nicht mehr aufhalten konnte. Niemals hätte er sich an Ilaria wenden dürfen! Niemals!
Aber nun war es zu spät. Blut war geflossen und es hatte gerade erst begonnen.
Wenn er nicht wollte, dass auch sein Kopf rollte, wusste er, was er zu tun hatte.
Tristan hatte sich entschieden.
67.
2002
London
England
Die schweren Vorhänge waren fest zugezogen, während der Regen gegen die Fenster von Nathaniels Salon prasselte. Es war schon weit nach Mitternacht, doch die Sonne würde noch lange nicht aufgehen.
Nathaniel hatte Feuer im Kamin gemacht, während Emmaline Whiskey in massive Gläser goss. Nachdem Tristan, Lilian und Adam Platz genommen hatten, setze Emmaline sich zu Nathaniel auf das riesige Sofa, das den Raum dominierte. Er nahm ihre Hand und verschränkte seine Finger mit den ihren, dann lehnte er sich zurück.
„ Also gut“, Tristan stützte die Ellenbogen auf seine Oberschenkel auf. Er hielt sein Glas in beiden Händen und sah zu, wie der Schein des Kaminfeuers den Whiskey darin funkeln ließ, wie flüssigen Bernstein. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu Adam, in dessen Augen das Feuer die gleiche Wirkung hatte.
„ Ich kam ungefähr zur selben Zeit wie Emmaline nach Rom. Es gab dort ziemlich lange nur eine Person, die von meiner Anwesenheit wusste – Ilaria. Sie war nicht das, wofür du sie hieltest, Em. Sie war nicht deine Freundin. Tatsächlich ist sie niemandes Freundin. Das weiß ich jetzt. Seit dem letzten großen Krieg bis heute hat sie nichts als Intrigen gesponnen, uns gegeneinander ausgespielt und manipuliert - in einem Ausmaß, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.“
Emmaline schüttelte traurig den Kopf. „Aber weshalb nur? Sie ist so viele hundert Jahre alt, weshalb hat sie sich plötzlich verändert?“
„ Ich denke nicht, dass das der Fall ist. Wahrscheinlich war sie schon immer so und hat sich nun dazu entschlossen, ihre Maske fallen zu lassen. Weil sie ihre Zeit für gekommen hielt. Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, Oberhaupt von Rom und von Edinburgh zu werden und die Jäger in ein neues Zeitalter zu führen – in dem wir mit Hilfe von moderner Technik und Medien unsere Überlegenheit gegenüber den Sterblichen nutzen.“
„ Aber das widerspricht allem, wofür wir stehen!“, nun war es Adam, der den Kopf schüttelte.
Tristan sah Emmaline an. „Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass Ilaria den Tod deines Mannes geplant hat, nur um dich dazu zu bringen, Massimo für sie aus dem Weg zu schaffen?“
„ Auf keinen Fall!“, entsetzt sprang sie auf, „Das ist unmöglich!“
Nathaniel zog sie wieder zu sich auf die Couch und legte ihr einen Arm um die Schultern, bevor Tristan fortfuhr.
„ Sie hat Massimos Charakter analysiert, seine Schwachstelle gefunden und sie ausgenutzt. Das gleiche hat sie mit uns allen getan, auch mit dir. Massimo war eitel und labil. Also hat sie ihn mit Drogen und Schmeicheleien versorgt. So lange, bis er den Verstand verlor und Daniele tötete. Damit sind wir bei deiner Schwachstelle. Ilaria wusste, dass du Massimo niemals davonkommen lassen würdest. Und freundlicherweise hast du sie auch gleichzeitig noch als Oberhaupt eingesetzt.“
Versteinert saß Emmaline auf der Couch, unfähig etwas zu sagen.
Schließlich war es Adam, der das Schweigen brach. „Du hast Massimo tatsächlich umgebracht? Du hast ein Oberhaupt getötet?“
„ Natürlich! Was hättest du an meiner Stelle getan? Aber die Ältesten gaben mir den Auftrag dazu, also war es kein Verbrechen! Viel schwerer wiegt doch wohl, dass er sich an meinem unschuldigen Mann versündigt hat. Daniele ist in meinen Armen ausgeblutet und ich konnte es nicht verhindern! Ich habe ihn auf dem Gewissen, er ist gestorben, weil er mein Mann war! Wie man sich in solch einer Situation fühlt, müsstest du doch nur zu genau wissen!“
„ Es tut mir leid, Emmaline. Ich war nur überrascht eben. Ehrlich gesagt hatte ich mich damals sogar über das Verschwinden dieses Kretins gefreut.“
Eine Windböe pfiff um das Haus und warf noch mehr Regen gegen die Scheiben. Lilian fröstelte, trotz des Kaminfeuers.
„ Geht es dir nicht gut, Liebes? Möchtest du dich etwas
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