Das Mal der Schlange
werden wir so lange üben, bis deine Leistung zu meiner Zufriedenheit ist. Ist das soweit klar?“
Emmaline nickte, „Absolut klar.“
„ Gut. Wir werden deinen Körper trainieren und ihn zu deiner wichtigsten Waffe ausbilden. Du bist groß und intelligent, wenn wir deine Muskeln stärken und deine Schnelligkeit verbessern, kannst du eine hervorragende Kriegerin werden. Du brauchst keine Messer, Schwerter oder Pistolen, um einen Menschen zu töten. Aber auch das werde ich dich lehren. Des Weiteren wirst du etwas über Anatomie lernen, damit du weißt, welche Verletzungen tödlich sind und welche nicht, was starke Schmerzen verursacht und was schnell und schmerzlos tötet. So kannst du nach deinem jeweiligen Bedarf auswählen.“ Sie sah Emmaline unbewegt an. „Hast du damit irgendwelche Probleme?“
„ Nein, Georgianna, nicht im geringsten. Ich fühle mich geehrt, deine Schülerin sein zu dürfen und werde bei allem mein Bestes geben. Du wirst nicht enttäuscht sein“
Georgianna nickte. „Gut, Schwester. Dann fangen wir an!“
In den folgenden Wochen ließ Georgianna Emmaline stundenlang durch die unterirdischen Gänge laufen. Anfangs empfand Emmaline die körperliche Anstrengung als unangenehm, sie schwitzte und ihre Muskeln schmerzten. Erst als sich langsam das Labyrinth in ihr Gehirn einprägte, begann sie das Laufen zu schätzen. Eine unsichtbare Landkarte der Stadt unter der Stadt breitete sich vor ihr aus, in den Gängen traf sie oft auf andere Zeitjäger und auch deren Gesichter merkte sie sich mit der Zeit.
Dann begannen sie mit dem Muskeltraining und Emmaline schlich Tag für Tag mit brennenden Armen oder Beinen nach Hause, wo Nathaniel auf sie wartete. Seit sie ein Experte für das Gangsystem geworden war, bestand sie darauf, alleine zu Georgianna zu gehen. Nach einigen Wochen intensiven Trainings begann Emmaline die Veränderungen an ihrem Körper zu sehen und zu spüren. Sie war noch immer schlank, aber ihre Muskeln waren lang und hart, sie war stark und voller Energie. Ihr Gang war aufrechter, sie hielt den Kopf hoch und ihr Schritt war leicht und geschmeidig. Keine Frau der besseren Gesellschaft in London oder Edinburgh hatte einen derartig trainierten Körper und das Beste war, dass die Veränderung unter ihren langen Kleidern kaum sichtbar war. Körperliche Ertüchtigung war bei den Damen verpönt, man wollte möglichst zerbrechlich, blass und weich wirken - Emmalines Ziel war das genaue Gegenteil davon, man wäre entsetzt, wenn man davon wüsste.
Schließlich begann Georgianna mit dem Kampftraining. Sie brachte Emmaline bei zu fallen, zu schlagen, auszuweichen und den Gegner zu analysieren.
Auch hier erwies sie sich als ehrgeizige und gelehrige Schülerin. Endlich durfte sie die veraltete Rolle abstreifen, die ihr die Gesellschaft aufgrund ihres Geschlechts auferlegt hatte und zu etwas werden, das sie sich selbst verdient hatte.
Georgianna war begeistert von ihrem Zögling, der alle Kampftechniken begierig aufnahm und so lange nicht abließ, bis er sie perfektioniert hatte. Früher als geplant konnten sie den Waffenunterricht beginnen.
„ Sind wir Einzelkämpfer?“ Emmaline hielt eine zierliche Damenpistole in der Hand, deren Griff mit Perlmutteinlagen verziert war, „Ich meine, erledigen wir unsere Aufgaben alleine?“
Georgianna stellte die Zielscheibe im Schießstand ein. „Normalerweise, ja. Wir erhalten unsere Aufträge immer personenbezogen, aber bei der Durchführung können wir mit anderen Jägern zusammenarbeiten. Wenn du meinst, ob wir Kriege führen – nein, nicht mehr. Es ist schon sehr lange her, dass wir als Gruppe zusammen gekämpft haben. Dieses Kapitel gehört gottlob der Vergangenheit an. Was die männlichen Krieger aber nicht davon entbindet, ihrem Oberhaupt zur Seite zu stehen, sollte er sie zu den Waffen rufen.“
„ Und was machen wir Frauen dann?“
„ Was wir für richtig halten.“ Sie trat hinter Emmaline und wies nach vorne auf die Zielscheibe, „Aber so ein Fall wird hoffentlich nie mehr eintreten. Es entspricht uns viel mehr, aus dem Verborgenen für Gerechtigkeit in der Welt zu sorgen. Wir sind schließlich keine Kampftruppe.“
Nachdem Emmaline die Waffe mehrmals abgefeuert hatte, hielt sie inne.
„ Ich habe so viele Fragen! Wem soll ich sie stellen, wenn wir fertig sind mit meiner Ausbildung?“
Georgianna lächelte, „Mir. Ich werde dir immer zur Seite stehen, wenn du Unterstützung und Rat brauchst. Und Nathaniel. Und vieles wird sich
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