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Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Oliver
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nicht nur ein Leben zusammen hätten, sondern die ganze Ewigkeit. Aber offenbar ist auch bei Kains Jägern alles nur Berechnung. Anscheinend zählen auch hier nur Leistung und Profit. Ich glaube, du hast mich nie wirklich geliebt, Nathaniel.“
    „ Das ist nicht wahr! Du musst doch fühlen, dass ich dich mehr liebe als mein eigenes Leben!“, er war verzweifelt.
    „ Adam! Ich gratuliere dir!“, sagte sie betont freundlich, „Du hast genau das erreicht, was du wolltest. Eine Konkurrentin weniger, um Ruhm und Anerkennung. Keine Hochzeit für deinen Rivalen. Und das Glück, das für dich so unerträglich war, gibt es nicht mehr. Ich hoffe, du bist zufrieden mit dir.“
    Er wagte es nicht, ihr ins Gesicht zu sehen.
    „ Emmaline“, auch Victor war erschüttert, „So muss es doch nicht sein.“
    „ Keine Angst, Bruder. Ich werde meine Aufgaben natürlich erfüllen. Wie es sich gehört. Aber keiner kann mich zwingen, mit euch hier zu leben. Ich bin sicher, es gibt auch anderswo auf der Welt Familien, die mich in die große Kunst des Menschenjagens einführen können.“
    „ So habe ich es nicht gemeint! Wir lieben dich aufrichtig Emmaline, wir haben dich in unser Herz geschlossen. Und für Nathaniel bedeutest du alles! Bitte, du musst uns glauben!“
    Sie lächelte kalt, „Ich soll euch die Ehre meines Vertrauens erweisen? Es wäre besser gewesen, ihr hättet damals auf die Liebe in meinem Herzen vertraut, als es noch aus eigener Kraft schlug. Aber das war euch zu wenig. Wie könnt ihr mir da jemals genug sein?“
    Sie drehte sich um und ging wortlos hinaus, vorbei an Nathaniel, der mit schmerzverzerrtem Gesicht lautlos auf die Knie sank.
    An diesem Tag hatten sie beide das wichtigste in ihrem Leben verloren, ihre Liebe, ihre Hoffnung und ihr Glück.
    Nichts würde jemals wieder sein wie vorher.

24.

    1944
    Rom
    Italien

    Durch die halbe Welt war sie gehetzt, in den letzten Jahrzehnten. Sie erinnerte sich nicht mehr genau an die einzelnen Länder, nur daran, dass sie, getrieben von einer inneren Unruhe immer weiter eilte, von Ort zu Ort und Land zu Land. Nirgendwo blieb sie längere Zeit. Sie war der perfekte Nomade, die Familie wäre stolz auf sie.
    Was ihre Reisepläne anbelangte, war sie geradezu peinlich darauf bedacht, nicht verfolgt zu werden, sie schlug Haken wie ein Hase.
    So buchte sie etwa eine Zugfahrkarte nach Moskau, nur um am selben Tag in Wirklichkeit nach Athen zu reisen, von wo aus sie nach kurzer Zeit weiter nach Istanbul fuhr.
    Zeitjäger gab es überall. Anfangs, als sie noch unerfahren im Jagen war, bedurfte sie ihrer Hilfe, aber sobald sie ihre Aufträge alleine abwickeln konnte, hielt sie sich von den anderen Familien fern.
    Sie wusste nicht genau, was sie an den verschiedenen Orten suchte – was immer es war, sie fand es nicht.
    Bis sie schließlich nach Rom kam.

Die Wasser des Tiber waren gelb und schlammig und flossen nur langsam durch das Flussbett, wie immer im Hochsommer. Auch für den Krieg machte die Hitze keine Ausnahme in der Ewigen Stadt. Vor einer Woche hatte man Ferragosto gefeiert, so gut es eben ging, nach Jahren der Entbehrung. Aber die Römer hatten viele Kriege überlebt, viele Kaiser, Könige und Diktatoren kommen und gehen sehen und bald würden wieder bessere Zeiten anbrechen.
    Emmaline stand auf der steinernen Brücke, die hinüber zur Engelsburg führte.
    Sie kam oft hierher. Im Winter, wenn der Fluss viel Wasser führte und Krähen auf den Bäumen am Ufer saßen, rauschte das Wasser wild und ungezähmt unter ihr, aber heute lag es ruhig da, glatt wie ein Spiegel in der stillen Luft des frühen Abends.
    Die untergehende Sonne tauchte alles in ein warmes Licht.
    Emmaline hatte die Arme auf der Brüstung aufgestützt und stand still wie eine Statue. Nur manchmal bewegte ein leichter Windhauch den Saum ihres dunkelblauen Kleides und die weißen Blüten darauf tanzten um ihre Knie.
    Sie liebte Rom, hier hatte sie sich beinahe so etwas wie ein Leben aufgebaut. Finanziell unabhängig durch ihre Erbschaft - die sie getarnt als angebliche Cousine und einzige Erbin von Lord und Lady Grant erstaunlich einfach hatte antreten können - erstand sie ein altes Stadthaus in Trastevere.
    Geschickt angelegtes Geld hatte sich in den letzten Jahrzehnten stetig vermehrt. Aus der Finanzkrise des ersten großen Krieges hatte sie gelernt und ihr Vermögen rechtzeitig in Sicherheit gebracht.
    Für ihr Volk war es nicht schwer, Wohlstand aufzubauen, sie hatten schließlich unbegrenzt Zeit

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