Das Mal der Schlange
In unserem Volk kann es eines sein, wenn du dadurch unsere Regeln brichst.“
„ Denkst du das auch?“
„ Nein“, Ilaria legte den Teller beiseite, „Aber das spielt keine Rolle.“
„ Für mich schon.“
„ Ich wundere mich immer wieder, dass es nicht öfter dazu kommt, dass sich einer von uns in einen Sterblichen verliebt. Aber offenbar sind wir zu sehr eingeschüchtert. Ich meine, wer hat unsere Gesetze eigentlich gemacht? Und wann? Das ist doch alles gar nicht mehr zeitgemäß!“, wütend schleuderte sie das Handtuch in die Spüle. „Als ich eine Zeitjägerin wurde, da hat es noch Sinn gemacht, unter uns zu bleiben und die Menschen zu meiden. Damals war man so abergläubisch, dass alles Außergewöhnliche sofort auf dem Scheiterhaufen landete und wie wir wissen ist Feuer etwas, das auch uns nicht gut tut. – Aber die Zeiten haben sich geändert und die Menschen auch. Ich sage ja nicht, dass wir in die Öffentlichkeit gehen sollten, aber ich bin der Meinung, dass es uns zusteht unser Leben in Freiheit zu verbringen. Und dazu gehört die Freiheit, auf sein Herz hören zu dürfen.“
Sie ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen.
Daniele und Emmaline nahmen ebenfalls Platz und Daniele öffnete eine Flasche Wein.
„ Ilaria, ich denke genau wie du. Aber die Familie verbietet uns, gegen die Regeln zu handeln. Und die Strafen sind hart. Das ist es, was mich beunruhigt. Wenn ich wüsste, dass uns keine Gefahr droht, würden wir uns gerne mit Massimo und den Ältesten treffen und unser Anliegen vortragen. Daniele wird schwören zu schweigen und wir werden uns einer engmaschigen Kontrolle unterwerfen, sollte das gewünscht werden. Denkst du, sie werden uns anhören und uns eine Chance geben? Sie können doch nicht so kaltherzig sein und uns ablehnen, immerhin bin ich ein Kind ihres Volkes.“
„ Und in ihren Augen hast du sie verraten“, Ilaria drehte ihr Weinglas in den Händen.
„ Massimo weiß bereits, dass du eine Aussprache möchtest.“
Daniele und Emmaline hoben fragend die Augenbrauen, aber Ilaria winkte ab, „Gott weiß, woher…irgendwie scheint er immer alles zu wissen. Er wusste auch von meinem Besuch hier.“
„ Was?“, alarmiert stand Emmaline auf und ging zum Fenster. Der Garten lag ruhig und einsam da.
„ Beunruhige dich nicht. Er bat mich, dir etwas auszurichten.“, sie nahm einen Schluck Wein, „Er meinte, sag ihr, dass die Ältesten noch nicht zu einem Gespräch bereit sind und dass sie wünschen, dass ich den Anfang mache. Ich möchte Emmaline und Daniele heute Nacht am Eingang zu den Katakomben an der Via Appia treffen, dann können wir alles besprechen. Sag ihr, ich bin nicht ihr Feind, ich werde versuchen zu vermitteln, sie kann mir vertrauen.“
„ Was hältst du davon?“
„ Wir wissen beide, dass wir niemandem vertrauen sollten – schon gar nicht Massimo. Aber er ist das Oberhaupt der Familie. Wenn er sagt, die Ältesten kommen nicht, dann gibt es nichts, was du dagegen machen kannst. Allerdings glaube ich nicht, dass Gefahr von ihm ausgeht, denn er darf euch nichts tun. Euer Fall muss den Ältesten vorgetragen werden und sie werden über euch richten. Massimos Angebot ist das einzige, das er dir machen wird und es liegt in eurem Ermessen, ob ihr auf seinen Vorschlag eingehen wollt.“
„ Sag ihm, wir werden da sein“, sagte Daniele bestimmt.
Emmaline hob beschwichtigend die Hand, „Augenblick. Wieso an den Katakomben? Ist das nicht ein wenig theatralisch? Wieso nicht in der Stadt?“
„ Du kennst ihn doch. Er liebt übertriebene Effekte. Und er kann die Katakomben unterirdisch erreichen, ohne sein Gesicht in Rom zeigen zu müssen. Seit einigen Jahren geht er nur noch nachts nach draußen und auch nur dann, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Er möchte einige Jahrzehnte im Verborgenen bleiben, um später unauffällig eine neue Identität annehmen zu können. Das ist nicht weiter beunruhigend. Wir alle machen das von Zeit zu Zeit. Auch du wirst es bald tun müssen.“
„ Also gut. Einverstanden.“, Emmaline drückte Danieles Hand, „Wir werden hingehen. Wir haben sowieso keine Wahl. Sie scheinen über alles Bescheid zu wissen und wir können uns nicht länger verstecken. Es muss eine Lösung gefunden werden. Wenn Massimo uns entgegenkommt, werden wir seine ausgestreckte Hand annehmen.“
36.
Die Via Appia, die hinaus zu den Katakomben führte, war holprig und schlecht zu erkennen in der Dunkelheit. Aber Emmaline wusste, wie die Straße bei
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