Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Oliver
Vom Netzwerk:
Stirn.
    Sie prägte sich sein Gesicht so deutlich ein, dass sie es bis in alle Ewigkeit nicht mehr vergessen würde. Von nun an würde sie es immer sehen, sobald sie die Augen schloss. Sie bemerkte es nicht einmal, als die Kerzen verloschen.
    Sein Tod würde nicht ungesühnt bleiben. In den Stunden, in denen sie über ihren toten Mann wachte, beruhigten sich ihre Wut und ihre Hilflosigkeit. Sie verbarg ihren Hass so tief in sich, dass niemand etwas davon sehen würde.
    Massimo würde für Danieles Tod bezahlen. Nicht heute und nicht morgen. Keine überstürzten Aktionen. Die perfekte Gelegenheit würde kommen. Bis dahin würde sie sich darauf vorbereiten, jede Sekunde. Und sie würde erst dann Frieden finden, wenn Massimo vernichtet war.
    Als Michele, Andrea und Ilaria zurück kamen, fanden sie Emmaline ruhig und gesammelt vor. Sie setzte den Deckel auf und zu viert trugen sie den Sarg durch die endlosen Gänge. Niemand sprach ein Wort.
    Irgendwann verschwanden die steinernen Nischen in den Wänden und ein anderes Gangsystem begann. Als sie schließlich durch kniehohes Wasser wateten, hoben sie den Sarg auf ihre Schultern. Sie machten keine Pause. Nach langer Zeit erreichten sie einen verborgenen Ausgang und standen inmitten des pompösen Gräberfeldes des Friedhofs.
    Der Campo Verano war groß, Grabreihe reihte sich an Grabreihe. Es gab Marmorwände mit eingelassenen Nischen, riesige Mausoleen und Statuen.
    Anscheinend hatten sich die anderen bereits informiert, wo die Gruft von Danieles Familie lag, denn zielsicher gingen sie darauf zu.
    ´Famiglia di Corvo`, stand auf dem marmornen Türsturz. Das kleine Gebäude war rund, mit kuppelartigem Dach, auf dem die lebensgroße Marmorstatue einer jungen Frau im griechisch-römischen Stil stand. Sie trug ein langes, in Falten gelegtes Gewand, die Kapuze halb vom Kopf gerutscht. Darunter quoll sanft gewelltes Haar hervor. Die Arme hatte sie gesenkt und leicht von sich gestreckt, in einer einladenden Geste, wie um auf das Eingangsportal zu weisen. Selbst im Dunklen konnte Emmaline den von unendlichem Schmerz gezeichneten Gesichtsausdruck der Frau erkennen, die, den Kopf schief gelegt, hinunter auf die Besucher sah. Sie war ein Kunstwerk, wunderschön und zeitlos und würde nun über ihren Mann wachen.
    Michele schloss die schwere Tür auf und betrat das Innere der fensterlosen Kapelle.

    Auf marmornen Plaketten standen die Namen der verstorbenen Familienmitglieder Darunter war eine umlaufende steinerne Bank in die Wände eingelassen.
    In der Mitte des Raumes führte eine steile Treppe nach unten und endete in einem langgestreckten Gang, in dessen Seiten sich Nischen befanden. Fast alle davon waren bereits mit einer großen Marmorplatte verschlossen. Sie setzten Danieles Sarg in die Nische über seiner Großmutter, die letzte, die noch frei war. Emmaline war tief berührt davon, dass Michele und Andrea Danieles Grabplatte hatten anfertigen lassen. Sie ließen sie für eine Weile allein, damit sie endgültig von ihm Abschied nehmen konnte.
    Als sie nach oben kam sah sie, dass sie auch dort eine Plakette für Daniele angebracht hatten. Die Lilien in der Kupfervase, die Emmaline und Daniele für die Großeltern vor so kurzer Zeit hierher gebracht hatten waren noch frisch und verströmten einen betörenden Duft in dem kleinen Raum.
    Sie traten nach draußen, Andrea verschloss die Tür und gab Emmaline den Schlüssel.
    „ Ich danke euch von ganzem Herzen. Es ist schön zu wissen, dass man Freunde hat.“
    Emmaline trat auf Ilaria zu und nahm sie in die Arme, dann drückte sie Michele und Andrea.
    „ Das war doch selbstverständlich“, murmelte Andrea verlegen.
    Sie schüttelte den Kopf, „Nein, das war es nicht. Ihr hattet nur den Auftrag, sauber zu machen. Aber ihr habt euch um mich und meinen toten Mann gekümmert, wie eine wirkliche Familie. Gegen den Willen von Massimo, bin ich mir sicher.“
    „ Wir sind nicht seine Sklaven…“
    „ Ich hoffe, ihr bekommt deswegen keine Schwierigkeiten.“
    „ Um uns musst du dir keine Sorgen machen. Was hast du nun vor?“
    „ Keine Angst, ich werde keine unbedachten Dummheiten machen. Als erstes werde ich das tun, was Massimo mir geraten hat – zurück nach Kanada fliegen und mich um meine Freundin kümmern, damit ich nicht auch noch ihren Tod zu verantworten habe.“

37.

    1961
    Las Vegas
    USA

    Draußen war es bereits dunkel geworden und merklich kühler. Das hatte die kleine Gruppe im Wohnzimmer jedoch nicht bemerkt, so

Weitere Kostenlose Bücher