Das Manoever
Karten. Die Croupière gewann und James hätte sich beinahe verschluckt und laut gehustet, als er sah, dass er beim Umdrehen einer Spielkarte ein Jahr Taschengeld verloren hatte.
Im nächsten Spiel setzte Kazakov nur zweitausend, verlor aber erneut. Eben noch hatte er zehntausend gewonnen und zwei Minuten später siebentausend wieder verloren. Nach mehr als zwei Stunden, in denen James sich auf die Karten konzentriert hatte, begannen seine Augen zu brennen. Theoretisch wusste er zwar, dass die Chancen beim Kartenzählen immer die gleichen waren und dass die Wahrscheinlichkeit letztlich immer gewann, ob man nun zehn Dollar setzte oder eine Million. Aber seine Nerven lagen blank, als er beobachtete, wie Kazakov bei jedem Spiel den Preis eines Gebrauchtwagens setzte.
James riss sich zusammen und sendete Kazakov auch weiterhin die Signale zu erhöhen oder zu verringern, je nachdem, wie ihre Chancen standen. Und Kazakov hörte auf ihn und gewann noch ein paar Spiele. Währenddessen kamen wieder mehr Leute an den Tisch, die jedoch jeweils nur zwei- bis fünfhundert pro Spiel setzten, was die Aufmerksamkeit etwas ungünstig auf Kazakovs gröÃere Einsätze lenkte.
Als die Croupière mischte, sah James erneut auf die Uhr: Dies würde ihre letzte Runde werden. Prompt verbesserte sich das eben noch nichtssagende Zahlenverhältnis noch einmal zu ihren Gunsten und Kazakov begann, in jedem Spiel das Limit von fünftausend zu setzen.
Er gewann acht von zehn Spielen, einschlieÃlich eines Blackjacks. ZweiunddreiÃigeinhalbtausend Dollar in acht nervenzerreiÃenden Minuten.
»Ich mache jetzt Schluss und gehe nach Hause«, verkündete die Rezeptionistin. »Wenn du deine Hausaufgaben noch ausdrucken willst, musst du es jetzt tun.«
Gebannt von der plötzlichen Glückssträhne hatte James gar nicht bemerkt, dass sie hinter ihn getreten war und ihm jetzt über die Schulter sah.
»Oh ja â¦Â«, stammelte James und sah sich nervös um, während er versuchte, mit einem Auge die Karten im Blick zu behalten. »Ich bin gleich fertig. Keine Umstände, ich kann die Arbeit in meinem Zimmer ausdrucken, wenn ich zurück bin.«
»Was machst du denn da?«, fragte sie misstrauisch. »Sieht nicht gerade nach Hausaufgaben aus.«
Hastig klappte James den Laptop zu.
»Das ist privat«, stieà er hervor. »Internet, Webcam â¦Â«
Damit machte er sich zwar erst recht furchtbar verdächtig, aber er war sich nicht sicher, wie viel sie bereits wusste. Hatte sie nur einen kurzen Blick auf den Bildschirm erhaschen können und dabei lediglich bemerkt, dass er keinen Geschichtsaufsatz tippte  â oder hatte sie genug gesehen, um zu erkennen, dass da eine Kamera auf einen Blackjack-Tisch gerichtet war?
Die Rezeptionistin war nicht sonderlich groà und James überlegte, dass er sie KO schlagen könnte, damit sie ihn nicht verriet. Aber als sie sich von ihm abwandte, um die letzten Laserdrucker auszuschalten, schien sie nicht weiter beunruhigt.
James nahm sein Handy und rief Kazakov an.
»Lösen Sie die Chips ein und holen Sie das Auto«, flüsterte er schnell. »Vielleicht bin ich paranoid, aber die Rezeptionistin könnte etwas gesehen haben und ich will kein Risiko eingehen.«
»Wo sollen wir uns treffen?«
»Holen Sie einfach den Wagen und gehen Sie raus«, verlangte James nervös. Als er über die Schulter blickte, sah er zu seinem Entsetzen, dass die Rezeptionistin vorne am Telefon mit jemandem sprach. »Ich sage Ihnen, wo wir uns treffen, sobald ich sicher bin, dass mir niemand folgt.«
38
James stopfte den Laptop in seinen Rucksack und lächelte die Rezeptionistin an, als er das Business-Center hastig verlieÃ. Dabei hielt er sich strikt an alle Regeln, die er in seiner Ausbildung gelernt hatte: Er setzte sich eine Sonnenbrille und eine blaue Baseballkappe auf und sah nach unten, damit er auf den Bildern der Ãberwachungskameras nicht erkannt werden konnte.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Miss.«
Die Rezeptionistin war immer noch am Telefon, sah auf und nickte ihm zu. Ihr Gesichtsausdruck lieà sich nicht deuten.
James überlegte fieberhaft: Was hatte sie auf seinem Laptop gesehen? Rief sie gerade den Sicherheitsdienst des Casinos an, um ihn zu verpfeifen? Oder vielleicht doch nur ihren Freund, um ihm zu sagen, dass sie nicht früher nach Hause gehen konnte, weil da so
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