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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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verzog das Gesicht. »Und du, was ist mit dir … Haben dich die Sirenen nicht gepackt?«
    Max ließ das Gewehr sinken und antwortete: »Mich packt in diesem Leben nichts so schnell, das solltest du wissen, mein Freund. Leider. Und, wie steht’s? Genug ausgeruht? Dann weiter. Denis, hilf deinem Vater auf.«
    Hinter ihm erschien der Junge. Max und er zogen Sergej gleichzeitig an den Händen in die Höhe.
     
     
    An der Awiamotornaja machten sie nicht einmal eine kurze Rast, sondern gingen unverzüglich weiter in Richtung Ploschtschad Iljitscha , wo sie bald, ohne weitere Zwischenfälle, eintrafen. Diese Station war wieder hauptsächlich zum Wohnen vorgesehen. Außerdem beherbergte sie Behörden und Verwaltung.
    Hier war alles sauber und gepflegt. Gut gekleidete Bürger, Beamte, Militärs und Händler liefen durch die Gegend, und jeder hatte offenbar einen guten Grund, nicht an seinem Arbeitsplatz zu sein. Die Station war ziemlich eng, und das eindrucksvolle Lenin-Relief, das früher an der Stirnwand des Saals gehangen hatte, fehlte, denn es war – wie Max erklärte – an die Roten Ref. 30 verkauft worden.
    Den Übergang zur Rimskaja in der Mitte des Bahnsteigs versperrte ein Wachposten. Max erklärte, dass sich die Verhältnisse inzwischen wieder normalisiert hätten. Es habe
aber Zeiten gegeben, als regelmäßig eine Bande von der Koschuchowskaja , einer reinen Arbeitergegend, hier eingefallen sei. »Kennst du den Lieblingswitz von der Krestjanskaja sastawa ? Ach, woher solltest du den kennen, als Zugereister, aus der Provinz … Jedenfalls fragen sich die Leute dort im Spaß untereinander: ›Wer hat ein Taxi zur Dubrowka bestellt? ‹«
    »Und was ist daran so komisch?«, fragte Sergej verständnislos.
    Max blickte ihn mitleidig an.
    »Das ist genau wie mit dem Humor eines anderen Landes«, sagte er. »Um ihn zu verstehen, muss man dort gelebt haben. Zur Dubrowka fährt nicht eine einzige Draisine, die Gleise dort sind größtenteils zerstört. Als man versuchte, sie zu reparieren, starben die Bauarbeiter reihenweise – und keiner konnte herausfinden, weshalb. Die ganze Dubrowka ist eine einzige, abartige Anomalie, dagegen sind der ›Drachenhauch‹ und die Sirenen nichts weiter als ein harmloser Kinderschreck. Schwarzer Humor also, klar?«
    »Ich komme gleich um vor Lachen«, sagte Sergej finster.
    Er drehte eine Runde auf der Station und besah sich alles. Oft genug hatte er von den Händlern Geschichten über die Gräuel in der Metro gehört, Gräuel, die sich nicht nur in den Tunneln ereigneten, sondern auch an den Stationen selbst. Anscheinend hatten die Faschisten an der Puschkinskaja allen genetischen Ausgeburten den Krieg erklärt: Wer einen Finger mehr hatte, wurde in die Gaskammer geschickt. Die Kommunisten auf der roten Linie hatten, so hieß es, Experimente durchgeführt, um eine widerstandsfähige Rasse zu erschaffen, die in der Lage wäre, an der verstrahlten
Oberfläche zu leben. Und die Satanisten an der Timirjasewskaja feierten grausame okkulte Rituale und brachten Menschenopfer dar …
    Der Zweig, auf dem sie gelandet waren, tat sich zum Glück durch keine derartigen Besonderheiten hervor. Hier hatten sich vernünftige, arbeitsame Menschen versammelt und bildeten eine ganz normale kleine Gesellschaft, die friedlich inmitten dieser wilden, verdrehten Welt vor sich hin existierte. Sicher, in den Tunneln war es noch nicht vollkommen ruhig. Aber mit Gottes Hilfe würden sie irgendwann auch damit fertig werden. Schade, dass ich das nicht mehr erleben werde, dachte Sergej traurig. Ich hätte ganz gut hierhergepasst …
    Er sah die unterschiedlichsten Menschen: solche, die sich lebhaft unterhielten, andere, die schwiegen, finster dreinblickende und lächelnde. Aber sie alle wirkten normal. Und das machte ihm Hoffnung.
    Genau wie an der Schosse Entusiastow wurde er von einem aufmerksamen Arzt untersucht; eine Krankenschwester erneuerte den kühlenden Verband in seinem Gesicht. Man hörte ihm zu, untersuchte ihn und behandelte seine Wunde an der Schulter mit einer Salbe, wechselte die Mulltupfer und legte einen neuen Verband an. Sergej war mit allem einverstanden. Es war ihm sogar egal, wer für die Arbeit dieser eifrigen Mediziner bezahlen würde.
    Max schleppte ihn und Denis in eines der Verwaltungszimmer, wo sich einige Herren aus der Führungsetage der Linie versammelt hatten. Alle machten sie einen bedeutenden Eindruck. Sergej interessierte sich nicht für das Gespräch, und keiner der Männer

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