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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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Vater und Tochter einige Monate allein gelebt, aber dann hatte man ihnen Albina zugewiesen, eine etwa fünfzig jährige Köchin, die jahrelang in den Kellern und Bunkern der umliegenden Wohnanlagen herumgeirrt war, ehe sie auf eine Karawane gestoßen und mit ihr in die Kolonie gelangt war, wo sie darum gebeten hatte, bleiben zu dürfen.
    Lisa hatte die Frau in den ersten Wochen völlig ignoriert und sich ganz in ihre Trauer um die Mutter vergraben. Auch Serafim hatte, ungeachtet seiner Menschenliebe und Barmherzigkeit, anfangs keinerlei Sympathie für die neue Mitbewohnerin empfunden. Doch mit der Zeit gewöhnten sich Vater und Tochter an Tante Alja und gewannen sie sogar lieb. Albina war eine gutmütige, offene und fleißige Frau, die für jeden ein warmes Wort übrig hatte. Und an Lisa hatte sie einen Narren gefressen. Die beiden waren gemeinsam gekommen.
    Als Nächstes erschien Wladimir Danilowitsch. Seine Frau und sein Sohn empfingen ihn nur selten, dafür wartete Walentin Walentinowitsch oft auf ihn, so auch heute.
    »Wie sieht es da oben aus?«, fragte Walentin Walentinowitsch. »Treiben sie ihr Unwesen?« Sein Gegenüber nickte unwillig. »Hast du gesehen, was es ist?«
    »Der Junge hat was gesehen. Aber lass ihn erst einmal zu sich kommen. Wir können ihn später fragen.«
    Jetzt tauchte Sergej in der Tür der Garderobe auf.
    »Gott sei Dank, er ist am Leben …«, flüsterte Polina fast lautlos. Denis blickte sie prüfend an.
    »Hast du etwa daran gezweifelt?«, sagte er streng, fast tadelnd. Einen Moment später rief er: »Papa!«
    Sergej lächelte und breitete die Arme aus.
    Sie standen ein paar Augenblicke zu dritt da und umarmten einander. Dann machten sie sich auf den Weg durch den Flur, wo Sergej Walentin Walentinowitsch erblickte, der besorgt, ja sogar verärgert wirkte.
    »Sie waren ja neulich sehr beunruhigt«, erinnerte ihn Sergej. »Aber jetzt ist alles bestens geregelt. Dina ist für niemanden eine Last … Wie geht es ihr eigentlich – haben Sie sie mal gesehen?«
    »Frag sie selbst«, entgegnete Walentin Walentinowitsch trocken und wandte den Kopf zur Seite.
    Sergej folgte seinem Blick und entdeckte in einiger Entfernung die wilde Dina. Sie sah jetzt ganz anders aus, sauber und ordentlich gekleidet. Unverwandt starrte sie Polina und Denis an.
    »Dina«, rief ihr Sergej zu.
    Sein Ruf brachte sie zur Besinnung. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und wandte sich dann abrupt ab, um in der wogenden Menschenansammlung unterzutauchen.

3
    Zwei Dinge hat der Schöpfer nicht vorhergesehen, als er seine Schöpfung – unsere zerbrechliche und widersprüchliche Welt – vollendete.
    Er gab den Menschen nicht die Möglichkeit, in die Vergangenheit zu reisen, um ihre Fehler zu korrigieren. Wie viel Leid hätte man vermeiden können, wenn er ihnen wenigstens gestattet hätte, ihre allergrößten Fehler zu revidieren. Selbst wenn jeder Mensch nur eine einzige Chance in seinem ganzen Leben hätte, etwas noch einmal anders zu machen. Er würde korrigieren, was in seinen Augen das Wichtigste ist – und danach müsste er eben dafür sorgen, dass ihm keine Fehler mehr unterlaufen, oder er müsste damit leben, denn eine zweite Chance gäbe es nun mal nicht.
    Er verlieh einzelnen Menschen eine besondere Hellsichtigkeit, wenn auch sicher nicht immer den würdigsten. Ach, wie schön wäre es, in die Zukunft blicken zu können!
    Auch Sergej wäre über diese letzte Fähigkeit froh gewesen, zusätzlich zu seinen anderen Eigenschaften, seiner Vorsicht, Aufmerksamkeit, seiner Fähigkeit, zu analysieren und Entscheidungen zu treffen.
    Wenn er damals geahnt hätte, wie alles enden würde. Damals, als Polina und er sich bereiterklärten, an Wosnizyns Forschungsprojekt für ein Medikament gegen Strahlung mitzuarbeiten. Wenn er geahnt hätte, dass Wosnizyn sie im Stich lassen würde, obwohl er seinen Probanden geschworen hatte, dass es keine Langzeitschäden geben würde, dass ausreichend Medikamente vorhanden seien, kurz, dass sie unter seiner Obhut sicher seien wie in Abrahams Schoß. War der Professor an allem schuld? Nein. Keiner hatte die Katastrophe vorhersehen können, keiner hatte die Möglichkeit gehabt, sich darauf vorzubereiten.
    Und so hatten sie sich eben verstrahlen lassen, Sergej und Polina. Damals waren sie noch keine Eltern, ja noch nicht einmal verheiratet gewesen – nichts weiter als zwei junge, dumme, romantische Laboranten, die ineinander verliebt waren, fast noch Kinder, die an die Wissenschaft und an

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