Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)
sich auf dem wackeligen Stuhl an der Wand nieder.
Max blickte sie an.
»Ich bin schon einen Monat hier.« Seine Stimme war hart. »Das ist viel zu lange. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen. «
»Was für einen?« Polina konnte ihre Neugier nicht bezwingen, aber Max beachtete ihre Frage überhaupt nicht.
»Ich hätte schon längst von hier abhauen müssen … Aber ich konnte nicht. Es hat mich heftig erwischt. Der Chirurg hat gesagt, dass mich das Gift dieser Scheusale eigentlich hätte umbringen müssen. Das heißt, als Jedis Männer mich hierhergeschleift haben, war ich schon nicht mehr am Leben. Übrigens, haben Sie Jedi seither mal gesehen?«
»Nein«, antwortete Polina, während die Bilder jener Nacht, darunter auch die Vision von der Silhouette ihres Sohnes im Flur, vor ihrem geistigen Auge vorbeizogen. »Er schaut höchstens drei-, viermal pro Jahr bei uns vorbei. Sie haben großes Glück gehabt, dass ausgerechnet er Sie gefunden hat. Andere Karawanen hätten Sie vielleicht liegen lassen.«
»Das weiß ich. Und ich wollte ihm danken. Aber ich kann nicht lange auf ihn warten, ich muss weiter. Ich werde mich einer Karawane anschließen oder allein losziehen. Aber wohl nicht gleich morgen.« Er lachte bitter. »Mein Versuch heute früh, mich in Form zu bringen, hat traurig geendet.«
»Ich habe Ihnen Fladen mitgebracht«, sagte Polina und hielt ihm eine kleine Papiertüte hin. »Sie sind leider kalt … Ich habe gestern beim Küchendienst welche gebacken und ein paar für Sie mitgenommen. Ist nichts Besonderes, aber alle, die sie probiert haben, loben sie. Natürlich wollen sie mir nur schmeicheln, aber es ist trotzdem nett.«
Max’ Gesichtszüge wurden weicher, er nahm die Papiertüte, öffnete sie ein wenig und schnupperte daran.
»Mmh, sie riechen köstlich … Hausgebacken, sagt man dazu. Das letzte Mal hab ich vor über einem Jahr hausgemachtes Fladenbrot gegessen. In der Moskauer Metro, an der Ploschtschad Iljitscha . Der Leiter der medizinischen Abteilung dort ist ein alter Bekannter von mir, Edik Wosnizyn, und der …«
Polina zuckte heftig zusammen.
»Was sagen Sie da? Wosnizyn? Eduard Georgijewitsch?«
»Kennen Sie ihn etwa?«
»Macht nichts, Skoblikowa, halt aus … Alles halb so schlimm … Gleich spritzen wir dir ein Medikament, dann lässt der Schmerz nach … Hab keine Angst, dir passiert nichts. Ich habe es euch doch versprochen! Der Vorrat an diesen Präparaten reicht bis an euer Lebensende. Bei mir seid ihr so sicher wie in Abrahams Schoß. Die Wissenschaft vergisst euch nicht …«
Die Worte wollten ihr einfach nicht über die Lippen kommen.
»Wenn es der ist … Eduard Wosnizyn war früher, vor der Katastrophe, Leiter …«
»… eines geheimen Labors in der Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums«, fiel Max ein. »Dort wurden Experimente im Bereich der Strahlenabwehr durchgeführt. Im Dorf Jaschkino, in der Nähe der geschlossenen Stadt Noginsk-23.«
Sie sah sich selbst auf der weiß bezogenen Liege. Ihre Arme und Beine waren festgeschnallt und juckten unerträglich, doch sie konnte sich nicht kratzen.
Und dann das Licht. Grelles Licht. Nie mehr hatte sie später so grelles Licht gesehen.
»Eduard Georgijewitsch, rundum herrscht Panik … Angeblich wird das Militär in den nächsten Tagen die Macht übernehmen … Unter diesen Umständen wäre eine Abreise extrem erschwert, vielleicht sogar ganz unmöglich.«
»Ich lasse meine Leute nicht im Stich. Der Skoblikowa geht es noch immer sehr schlecht. Und um Kolomin steht es, wie du weißt, auch nicht viel besser …«
»Eduard Georgijewitsch!«
»Du kannst gehen. Und ich bitte darum, mir nur überprüfte Fakten zu überbringen.« Wosnizyn beginnt auf einmal zu schreien, was er sich nur äußerst selten gestattet. »Hörst du?! Nur überprüfte Fakten!!! Informationen wie ›angeblich‹ oder ›in den nächsten Tagen‹ sind vollkommen nutzlos! Ich will die Uhrzeit wissen.«
Er beugt sich über Polina und verdeckt das Licht.
»Machen Sie sich keine Sorgen, meine Liebe. Alles wird gut …«
Sie kann fast nicht sprechen, nur heiser krächzen, und ihre Augen spielen verrückt: Rundherum sieht sie nur verschwommene bunte Flecken.
»Läuft … alles … nach Plan?« Ihre Stimme ist nur ein Rascheln, und sie spürt, wie viel Kraft sie dieser eine Satz kostet, fürchtet, dass sie ihn nicht wird wiederholen können, falls Wosnizyn ihn nicht verstanden hat. Aber er hat verstanden.
»Alles läuft nach Plan!«,
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