Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)
auf der Erde oder auf dem Betonboden in der Kantine schlafen müsste … Unsere Weiber würden sich, ehe sie sich’s versieht, zusammenrotten und sie windelweich prügeln, um zu verhindern, dass sie sich an fremde Kinder heranmacht …
Er wusste natürlich, dass die Frauen in der Kolonie niemals so weit gehen würden, aber er war wütend auf Dina: Warum behandelte sie ihn wie einen Feind?
Wahrscheinlich hätte er es nicht lange ausgehalten und doch wieder versucht, sie zum Reden zu bringen, aber da tauchte Max auf.
»Hallo! Ist dein Jungchen unterwegs?«
Sergej nickte und bot Max einen Tee an.
»Ich habe gerade beim Chirurgen einen getrunken … Wir müssen uns unterhalten. Kannst du sie irgendwohin schicken?« Mit einem Nicken zeigte Max in Dinas Richtung.
Diese legte ihre Näharbeit wortlos beiseite, erhob sich und verließ das Wohnabteil mit gesenktem Kopf, das Gesicht hinter dem Vorhang aus Haaren verborgen.
Max folgte ihr mit den Augen.
»Alles nicht so einfach in dieser komplizierten Welt … Ich hab von ihr gehört. Pass bloß auf. Sie ist ein schwieriges
Mädchen mit einem riesigen … Potenzial. Es gibt nicht viele Leute, die bereit sind, sie bei sich aufzunehmen. Und wenn du sie vor die Tür setzt, wird sie ihre Zelte wohl für immer im Treibhaus aufschlagen müssen …«
»Ich halt sie schon aus«, sagte Sergej. »Worüber willst du mit mir sprechen?«
Max setzte sich zu ihm an den Tisch.
»Was weißt du über die Kolonie?«
Sergej war verdutzt. »Soll ich dir einen Vortrag halten?«
»Mach dich nicht lustig.« Max schnitt ihm das Wort ab. »Hinter den Schränken in der einen Ecke des Großen Saals befindet sich eine Tür. Ich gehe jede Wette ein, dass du nichts davon weißt, geschweige denn, wohin sie führt und wozu sie dient.«
Sergej blickte Max direkt in die Augen. Sieh mal einer an, unser Vorsitzender! Kluger, alter Saweljewitsch, du hast es ja geahnt! So einer war Max also … Aber woher hatte der Alte das gewusst … Wirklich nur dank seiner Intuition? Oder hatte er doch irgendeinen Hinweis bekommen? Er würde ihn bei Gelegenheit fragen müssen …
»Dir steht ins Gesicht geschrieben, was du denkst«, sagte sein Gast spöttisch. »Aber du denkst nicht das Richtige, und dein Verdacht geht in die falsche Richtung … Stell dir die Frage: Warum weiß nicht ein einziger Kolonist von der Existenz dieses Objekts? Ist das in Ordnung?«
»Nein, ist es nicht«, antwortete Sergej. »Nehmen wir mal an, du hast Recht. Aber woher weißt du davon?«
»Das ist nicht wichtig. Ich hab davon gehört. Und ich versuche herauszufinden, wohin diese Tür führt und wozu sie da ist. Gibt es einen Evakuierungsplan für die Kolonie?«
»Natürlich gibt es den. Und das ist überhaupt kein Geheimnis. Auf jeder Etage sind genaue Instruktionen ausgehängt, was im Notfall zu tun ist; die Kinder lernen diese Pläne im Unterricht auswendig … Der Generalplan für alle Kolonisten ist bei Walentin …«
»Das Schlüsselwort lautet ›alle‹«, sagte Max. »Bist du sicher, dass der Plan für alle einschließlich der Ratsmitglieder gilt?«
»Sie haben ihn ausgearbeitet!«
»Das heißt nichts. Sie haben ihn für euch ausgearbeitet, für die Loser. Für sie selbst existiert möglicherweise noch ein anderer Plan.«
»Das ist doch lächerlich. Gibt es wirklich diese Tür im Großen Saal?«
»Vielleicht nur eine Tür«, sagte Max. »Vielleicht aber auch noch etwas, wovon ich bisher nichts weiß.«
»Und wer bist du, Max?« Sergej wurde allmählich wütend. »Bist du eine Art Kontrolleur? In wessen Auftrag? Ich verstehe nicht, worum es dir bei dieser Verschwörungstheorie geht …«
»Das Wichtigste habe ich dir noch nicht erzählt. Was wir heute in der Fabrik gesehen haben, ist alles andere als harmlos. Ich fürchte, wir müssen bald mit einem Angriff rechnen. Wir befinden uns auf ihrem Territorium.«
»Meinst du wirklich? Bist du Biologe? Bist du ein Fachmann für Mutationen?«
»Ich habe einfach schon eine Menge gesehen.«
»Draußen herrschen minus 25 Grad Celsius und ein wahnsinniger Schneesturm. Diese Riesenhummeln, wie schrecklich sie auch aussehen mögen, sind trotz allem nur Insekten.
Sie werden sterben, wenn sie versuchen, die Fabrik zu verlassen.«
»Der Chirurg hat mir erzählt, dass er drei von den Biestern aus meinen Wunden gezogen hat – sie lebten noch«, entgegnete Max. »Ich trug sie die ganze Zeit in mir, während ich durch die Stadt irrte und fast krepiert wäre. Damals herrschten zwar
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