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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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es den Insekten gelungen ist, diese riesigen Körper aufzustapeln … aber ich vermute, dass wir es mit einem kollektiven Verstand zu tun haben.«
    »Na, na«, erklärte Skrynnikow mürrisch. »Lieber Sergej Dmitrijewitsch, lassen Sie sich nicht hinreißen. Ich denke, das ist nicht mehr so ganz Ihre Domäne. Sie haben Ihr – wiewohl glänzendes – Fachwissen doch nun schon viele Jahre nicht mehr angewandt …«
    Damit hatte er Recht. Sergej hatte die biologische Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität mit Auszeichnung abgeschlossen, aber nichts hatte ihn dazu bewegen können, zu seinem Fachgebiet zurückzukehren, das er einst so geliebt hatte.
    »Verehrte Ratsmitglieder«, fuhr Skrynnikow fort, »wenn es keine weiteren Fragen gibt, schlage ich vor, dass wir unsere vier Helden hier entlassen. Sie sollten sich erholen, denn sie haben einen schweren Gang hinter sich …«
    »Vor allem einen erfolglosen«, bemerkte irgendwer spöttisch.
    Wladimir Danilowitsch wollte etwas entgegnen, aber Sergej zog ihn am Ärmel mit sich. Die vier Männer verließen
den Großen Saal, wo die Ratsmitglieder nun zu debattieren begannen.
    »Ich schaue später bei dir vorbei«, sagte Max zu Sergej, als sie den Flur zur Krankenabteilung erreicht hatten. »Ich muss was mit dir besprechen. Außerdem sollten wir überlegen, wo du mich unterbringen kannst. Ich bin wieder ganz gesund, deshalb wäre es irgendwie … unethisch, wenn ich weiter im Krankenhaus wohnen bliebe.«
    Zu Hause erwartete Sergej ein rührendes Idyll: Denis und Dina saßen auf Dinas sorgfältig aufgeräumtem Bett und lasen »Pu der Bär« von A. A. Milne mit verteilten Rollen. Der Junge las Christopher Robin, Schweinchen und Pu und Dina alle anderen Figuren, jedoch ohne die geringste Modulation, mit absolut monotoner Stimme. Der Junge kannte das Buch fast auswendig, aber anscheinend machte ihm das Lautlesen großen Spaß: Er verstellte die Stimme, gestaltete jede Figur auf eigene Weise und lachte an verschiedenen Stellen fröhlich auf.
    Sergej hatte nichts dagegen. Im Moment war ihm jedes Mittel recht, um den Jungen von seinen Erinnerungen an die Mutter abzulenken. Wenn Dina nur nicht so verrückt wäre. Immerhin schien es, als habe Sergej sie eingeschüchtert mit seiner Schilderung dessen, was passieren würde, falls sie sich so wie in den beiden vorhergehenden Familien benehmen würde.
    Als Sergej eintrat, unterbrach er Dina mitten im Satz.
    »Hallo, Papa!«, sagte Denis fröhlich. »Wir lesen gerade ›Pu der Bär‹. Wir spielen Theater, zu zweit …« Er rüttelte die Frau neben sich an der Schulter: »Nun lies schon! Was ist mit dir?«
    Doch Dina ließ sich nicht zum Weiterlesen bewegen. Als er merkte, dass er nichts erreichen konnte, nahm Denis ihr das Buch ab und las einige Minuten für sich, was ihn aber bald langweilte. Beleidigt warf er das Buch zur Seite und ging zum Tisch hinüber, wo er sich setzte.
    »Ich habe euch wohl gestört?«, erkundigte sich Sergej trocken. »Warum haben Sie aufgehört zu lesen, Dina?«
    Diese antwortete nicht, saß mit hängendem Kopf auf ihrem Bett und verbarg das Gesicht wie immer hinter ihren langen schwarzen Haaren.
    In diesem Augenblick betrat Lisa das Wohnabteil.
    »Denis, Tante Alja hat sich ein neues Spiel ausgedacht. Kommst du auch?«
    Der Junge blickte seinen Vater fragend an.
    »Hast du deine Hausaufgaben gemacht?«, fragte Sergej streng, und spürte augenblicklich, wie sich Dina in ihrer Ecke anspannte.
    Denis’ Gesicht nahm einen bittenden Ausdruck an: Es war offensichtlich, dass die Hausaufgaben nicht fertig waren.
    »Bitte, Onkel Serjoscha«, sprang Lisa Denis bei. »Bitte! Wir bleiben nicht lange, und hinterher helfe ich Denis, ganz bestimmt!«
    »Na gut, dann Abmarsch mit euch!«
    Einen Moment später war nichts mehr von Denis zu sehen.
    Sergej setzte sich an den Tisch.
    »Warum wollen Sie nicht mit mir reden, Dina!«, fragte er. »Ich erwarte nicht, dass Sie mir Ihr Herz ausschütten, sondern nur, dass wir hier normale nachbarschaftliche Verhältnisse pflegen …«
    In die reglose Gestalt auf dem Bett kam für einen Moment Bewegung, als sie von irgendwo unter der Bettdecke einen eingerollten Rock hervorzog, in dem eine Nadel mit Faden steckte. Sie begann zu nähen.
    Sie ignoriert mich, dachte Sergej. Zum Teufel nochmal, allesamt sind sie ewig unglücklich, aber stolz! Wo man hinguckt, überall stolze Unglücksraben. Sie ist sich zu schade, ein paar Worte mit mir zu wechseln. Wenn sie noch im Treibhaus wohnen,

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