Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)
Zu gern würde er wissen, wer sich diese Regel ausgedacht hat: drei Bücher pro Person. Und wenn ich ein Buch pro Tag lese, soll ich die Bibliothek dann zweimal pro Woche aufsuchen?
Petja liebt das Lesen. Mama sagt immer, dass das erblich bedingt ist. Wenn er ein gutes Buch hat, erstarrt er für Stunden in ein und derselben Haltung, vertieft sich völlig in die Erzählung und verschwindet aus der ihn umgebenden realen Welt, um ganz in die fiktive einzutauchen. Es gibt kein besseres Geschenk im Leben als ein Buch, und es gibt keine bessere Art, sich die Zeit zu vertreiben, als zu lesen.
Er wählt »Im Schlauchboot über den Atlantik« von Alain Bombard aus. Es ist das Lieblingsbuch seines Vaters, und der hat seinem Sohn schon oft davon erzählt. Petja hat beschlossen, es endlich selbst zu lesen. Alain Bombard hat in 65 Tagen ganz allein in einem kleinen Schlauchboot den Atlantik überquert und eine Menge Abenteuer erlebt, und der Junge kann es jetzt kaum erwarten, herauszufinden, was genau alles passiert ist. Für Mama nimmt er »Auf des Messers Schneide« von Iwan Jefremow Ref. 16 . Er erinnert sich daran, dass er drei ausleihen darf, und greift sich noch das Märchen »Ein Zauberer ging durch die Stadt Ref. 18 « von Juri Tomin aus dem Regal. Vielleicht bekommt er plötzlich Lust auf etwas Leichtes … Obgleich, seit er im Winter »Das goldene Kalb Ref. 17 « und »Zwölf Stühle« bewältigt hat – ohne immer alles ganz genau zu verstehen –, ist es eigentlich unter seiner Würde, Kinderbücher zu lesen.
Zufrieden lächelnd geht der Junge Petja nach Hause, die drei dicken Bücher in ihren Kartoneinbänden fest an sich gedrückt. Es ist ein heißer, schwüler Sommertag, aber im
Schatten der Bäume, die rechts und links der Straße emporragen, ist es erträglich. Dort haben sich auch zwei hechelnde, schmutzige Köter niedergelassen.
Petja genießt auf seinem Spaziergang die Natur, die ihn umgibt, den Frieden und die Ruhe in seinem Innern und um ihn herum, er freut sich bereits auf den restlichen Tag, der noch vor ihm liegt, wenn er von den Abenteuern des mutigen Atlantik-Überquerers lesen wird.
Vor ihm, zwischen den Häusern wird ein Flecken blauen Himmels sichtbar – der Junge lächelt ihm zu.
Langsam verdichtete sich die Finsternis.
Das Herz des Alten setzte aus, es hörte im selben Moment auf zu schlagen, als der erste gellende Schrei ertönte: »Hilfe!«
Im Flur liefen schreiend Leute herum. Gellend heulte die Sirene.
Sergej wachte auf, sprang aus dem Bett, woraufhin auch Denis aus dem Bett schlüpfte, und im selben Moment stürmte Max wie ein Tornado in das Wohnabteil, ausgerüstet wie für einen Gang an die Oberfläche, aber noch mit zurückgeschobener Kapuze und Atemschutzmaske. Hinter ihm drängte sich Angin herein. Jeder der beiden hielt einen Schutzanzug und einen Helm in den Händen, trug ein Sturmgewehr mit einem Granatwerfer und auf dem Rücken einen Rucksack.
»Schnell, zieht euch an«, sagte Max, während er die Tür hinter sich zuwarf und sich mit dem Rücken dagegenlehnte. Den Anzug hatte er über einen Stuhl geworfen.
Sergej blickte zu Dinas Bett hinüber, das leer war, und fragte: »Was ist passiert?«
»Das, womit ich gerechnet habe«, entgegnete Max wütend. »Die Hummeln sind in die Hochschule eingedrungen. Keine Ahnung, wie – vielleicht durch die Lüftungsanlage. Bisher sind es nur einige Hundert, aber es werden bald mehr sein. Wir müssen weg von hier.«
»Los, mein Sohn …« Sergej zog sich in fieberhafter Eile an, während er eine schreckliche Leere in seinem Innern wahrnahm: Die Welt, die sie unter solchen Anstrengungen aufgebaut hatten, stürzte mit einem Schlag zusammen.
»Wo ist …«, begann Max.
»Seit sie gestern weggegangen ist – erinnerst du dich? –, habe ich sie nicht mehr gesehen.«
»Zum Teufel mit ihr. Könnt ihr nicht schneller machen?! Zieht euch warm an.«
Jemand klopfte von außen an die Tür.
Sie suchten eilig ihre Sachen zusammen, während aus dem Flur schaurige Geräusche zu ihnen hereindrangen. Max trieb sie zur Eile an und half ihnen, die Montur anzulegen. Er zog einen Gegenstand aus der Tasche und warf ihn Denis zu.
»Leg dir das um, Dan, das ist ein Amulett, eines von denen, die Jedi, der Karawanenführer, angeboten hat. Es ist aus dem Fangzahn eines Pterodaktylus. Es schützt. Ich bin zufällig drangekommen … Und du« – er sah Sergej durchdringend an – »kannst dich grämen und es dir hin und her überlegen, sobald wir hier
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