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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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Gefahr.
    Nach einiger Zeit erreichten sie den Platz, an dem sich der Zugang zur Metro befand.
    Sergej blickte sich um und wurde von seltsamen Empfindungen erfasst: Kummer, Verlust und gleichzeitig eine gewisse Befriedigung sowie die Erkenntnis, dass es eben so sein musste, wie es jetzt war. Denn diese Gegend und das geliebte Mädchen hatten ihn und seine Gefühle einst zurückgewiesen und ihn dazu gezwungen, von hier fortzugehen. Und auch wenn diese Stadt nicht seinetwegen in Schutt und Asche lag – obwohl, wer wusste das schon –, so
hatte sich die Vorsehung doch an dieser trostlosen Gegend für Sergejs zertrümmerte Liebe gerächt und sie in Sodom und Gomorrha verwandelt.
    Dort, in diesem halb zerstörten, sich zur Seite neigenden Gebäude, hatte sich einst das Kino Kirgisija befunden mit seinen bequemen, heimeligen Vorführräumen. Er und Ljudmila waren oft dort gewesen. Schräg gegenüber, in diesem undefinierbaren Gebilde ohne Dach, hatte es früher auf drei Stockwerken eine Art Einkaufszentrum gegeben, mit einem Perekrjostok-Supermarkt und etlichen weiteren kleineren und größeren Geschäften. Jetzt pfiff der Wind durch die Ruine, und Schnee türmte sich darauf … Auf der anderen Seite der Straße waren die rostigen Überreste eines Pavillons zu erkennen, der früher ein McDonald’s-Restaurant beherbergt hatte. Nach der Kinovorstellung, während der Ljudmila und er sich in der letzten Reihe ausgiebig geküsst hatten und schließlich hungrig geworden waren, hatten sie manchmal auf einen Sprung dort vorbeigeschaut und sich eine Portion Fritten und ein Schächtelchen mit diesen panierten Hühnerfleisch-Stückchen geteilt. Er wusste nicht mehr, wie sich das Gericht genannt hatte, aber dafür erinnerte er sich genau, dass dazu eine kleine Packung einer Sauce nach Wahl gehörte. Jedenfalls hatte ihnen eine Mahlzeit zu zweit immer völlig ausgereicht, jung, fröhlich und glücklich, wie sie damals gewesen waren.
    Es war unaussprechlich schön, sich zu erinnern. Während er so dastand und sich umblickte, erkannte er die Welt wieder und gleichzeitig auch nicht. Er verlor sich in der Vergangenheit. Er musste nur die Augen schließen, und schon füllte sich der Platz mit Menschen, Musik, Lichtern;
Autos hupten, die Lichtreklame des Kinos erstrahlte; aus allen Fenstern des Einkaufszentrums drang helles Licht nach draußen, und die Leute liefen mit ihren Einkaufswagen geschäftig zwischen den Läden hin und her …
    Er erinnerte sich, und in diesen Minuten wich aller Kummer von ihm. Die Krankheit zog sich verschämt in den hintersten Winkel seines Körpers zurück, seine Wunde hörte auf zu brennen … Ihm wurde warm ums Herz, und etwas in ihm blühte auf. Wohl zum ersten Mal, seit sein Sohn geboren worden war, fühlte Sergej sich fast vollständig glücklich.
    »Papa«, sagte Denis.
    Er öffnete die Augen.
    Ein toter Platz in einer toten, eingeschneiten Stadt. Nein, es gab kein Märchen. Hatte es das überhaupt je gegeben?
    »Papa.« Denis zeigte mit der Hand in eine Richtung. »Siehst du das? Was ist das?«
    »Ja, ich sehe es«, sagte Sergej gehorsam. Er blickte zu Max hinüber und antwortete: »Das ist die Metro, mein Sohn.«

DRITTER TEIL
ABSTIEG INS PARADIES
    Ist alles nicht so einfach in dieser komplizierten Welt.
    MAX

1
    Sie waren angekommen.
    Sergej spürte, wie sich in seinem Innern eine angenehme Wärme breitmachte, ihn einhüllte und beruhigte. Sie waren angekommen. Da war sie, die Metro. Und die Stadt, deren Ruinen nicht mehr so erschreckend aussahen wie noch vor wenigen Minuten.
    Sie waren angekommen.
    Dies war ihre Rettung. Hier, an diesem sicheren Ort, würde Denis sein Leben weiterführen, seine Ausbildung und die Entwicklung seiner Fähigkeiten voranbringen können. Und vielleicht würde Sergej geheilt werden.
    Die Metro. Die Vollendung des Daseins. Ein Begriff, dem Licht innewohnte. Das Paradies.
    Nach einer kurzen Routineüberprüfung öffnete sich die äußerste Sperre, und sie durften den Vorraum betreten, wo sie erneut warten mussten. Aber Sergej hatte keine Eile mehr und war bereit, so lange wie nötig auszuharren. Er war angekommen.
    Als er in dem großen, halbdunkeln Raum stand, wo sich früher die Drehkreuze und das Häuschen des Stationsaufsehers
befunden hatten, warf Sergej einen Blick abwärts. Vor Begeisterung wurde ihm fast schwarz vor Augen.
    Es war der Ort, von dem alle träumten, alle Menschen auf der Welt, alle, die sich wie die Kellerasseln in irgendwelchen Bunkern verkrochen

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