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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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hatten, in winzigen unterirdischen Kolonien, in von der Strahlung bedrohten Siedlungen …
    Sergej war zuletzt vor über zwanzig Jahren an dieser Station gewesen, aber er erkannte sie wieder, wie man einen Schulfreund auf der Straße wiedererkennt.
    Der lange Saal wurde zu beiden Seiten des Bahnsteigs durch quadratische Säulen aus hellem Marmor gegliedert. Die Kapitelle der Säulen waren mit komplizierten Mustern aus Dunkelblau, Hellblau, Gelb und Orange verziert, die mit der Zeit dunkler geworden waren. Die Wände waren mit dunkelblauem Marmor verkleidet, der weiße Adern aufwies und – genau wie Sergej – gealtert war und sein ursprüngliches Aussehen verloren hatte. Die Schriftzüge »NOWOGIREJEWO« an den Wänden waren von Sergejs Standort aus nicht zu sehen, aber dieses unbedeutende Manko konnte er verkraften.
    Ein Teil des Saals war mit Zelten und kleinen Bretterbuden vollgestellt.
    Und dort waren Menschen.
    Und Licht! Im Vergleich zu früher war es trüb, aber doch so hell, wie es in der Kolonie praktisch nie der Fall gewesen war.
    Soldaten in verschiedenfarbigen Uniformen, mit und ohne Waffen, Zivilisten, Männer und Frauen, Kinder: Alle liefen kreuz und quer durcheinander, unterhielten sich, gingen ihren Geschäften nach … Hier wohnen Menschen, dachte Sergej, und ihr Leben ist unvergleichlich viel besser
als das Dasein von uns grauen Ratten, uns unglücklichen Koloniebewohnern; ein Dasein, das zwanzig Jahre gedauert und dann so sinnlos und schrecklich geendet hat.
    Ein Soldat in einem Tarnanzug ohne Schulterstücke, ein junger Mann von höchstens dreißig Jahren, kam ihnen entgegen, nahm ihnen die Strahlenschutzanzüge ab und brachte diese fort. Nach seiner Rückkehr bat er sie höflich, aber bestimmt um alle ihre Waffen. Max übergab ihm resigniert sein Gewehr, den Rucksack mit den Patronen behielt er jedoch bei sich, schließlich waren diese in der Metro das einzige kaufkräftige Zahlungsmittel. Sergej trennte sich von der Pistole. Der Soldat blickte Max schweigend an. Der zeigte nach kurzem Zögern sein Messer, weigerte sich aber kategorisch, es abzugeben. Der Soldat erbleichte, entschied aber, nicht darauf zu bestehen, und führte sie hinunter zur Station, in die allgemeine Kantine.
    Diese befand sich in einem Bretterbau in einer Ecke des Saals. Sie war nicht sehr groß, aber behaglich, vollgestellt mit Stühlen und Tischen von unterschiedlichem Komfort und unterschiedlicher Stabilität. Die drei Reisenden setzten sich an einen Metalltisch mit verbogenen Rändern. Denis rückte seinen Stuhl augenblicklich neben den seines Vaters und lehnte sich an ihn.
    »Mein Junge, schlaf nicht, du musst was essen«, sagte Sergej.
    Eine Frau trat zu ihnen und forderte Sergej und Max auf, ihr zu folgen. Weiter hinten in dem Raum standen auf einem Hocker zwei schiefe Tabletts mit Tellern und Gläsern darauf. In den Gläsern befand sich Tee-Ersatz. Drei tiefe Teller waren randvoll mit einer köstlich duftenden,
dunklen Flüssigkeit gefüllt – war das etwa Pilzsuppe? Auf drei weiteren, flachen Tellern befanden sich jeweils ein Stück Fleisch sowie als Beilage zwei Kartoffeln und ein Stück graues Brot. Eine königliche Mahlzeit.
    Als sie mit den beladenen Tabletts zurückkehrten, schlief Denis bereits. Sein Kopf ruhte auf seinen verschränkten Unterarmen, die er auf den Tisch gelegt hatte. Sergej tat es leid, den Schlaf des Jungen zu unterbrechen, aber wann würden sie das nächste Mal etwas zu essen bekommen?
    Vorsichtig weckte er Denis. Der Junge aß langsam, gleichgültig, starrte lange reglos in seine Suppe. Das Fleisch lehnte er ganz ab, nahm zwei Schluck von dem falschen Tee, ehe er wieder mit hängendem Kopf einnickte. Max und Sergej aßen mit Vergnügen: Es schmeckte ausgezeichnet, und selbst der leicht schimmelige Geschmack des Brotes beunruhigte sie nicht.
    Sergej blickte sich mehrmals unwillkürlich um, aber niemand störte sie. Sie waren um diese Zeit die einzigen Besucher in der Kantine.
    »Was denkst du«, fragte er schließlich Max. »Für welche Dienste werden drei hergelaufene Vagabunden wie wir mit so einem fantastischen Abendessen belohnt? Oder isst man hier immer so?«
    »Die Leute, die hier auf der Station leben und arbeiten, werden gut versorgt«, sagte Max, während er den Suppenlöffel ableckte. »Und was uns angeht: Das ist ganz einfach. Wir erhalten gerade die Bezahlung für unsere Waffen.«
    Sergej sah ihn verständnislos an.
    »Wir haben ihnen unsere Strahlenschutzanzüge, die Pistole und

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