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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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hätten, und erzählte von den Gefahren, die sie dort möglicherweise erwarteten. Die Lektion war hauptsächlich für Sergej und Denis bestimmt, denn Max war in dieser Hinsicht bestens vorbereitet, obgleich auch er von einigen Dingen zum ersten Mal hörte.
    »Sirenen«, sagte der Schurrbärtige. »Sie singen. Und zwar so unglaublich, mit so fantastischen Stimmen, dass es jeden magisch anzieht. Wenn man sich rechtzeitig die Ohren verstopft, ist alles in Ordnung, dann kommt man ohne Weiteres an ihnen vorbei. Aber wehe, du passt nicht auf, dann folgst du ihnen wie die Ratten dem Rattenfänger von
Hameln. Und dann ist es aus, dann krepierst du. Nun ja, weiter im Text: Da ist noch der Drache.«
    »Was?«, fragte Denis. Er traute seinen Ohren nicht. »Drachen gibt es nicht, Onkel, die kommen doch nur im Märchen vor.«
    »Kommt drauf an, Junge«, sagte der Schnurrbärtige ernst. »Übrigens ist das sowieso kein echter Drache, nur eine Anomalie. Die Leute nennen sie den ›Drachenhauch‹. Am Anfang summen die Gleise tief, dann mit wachsender Lautstärke. Das bedeutet, dass du dir so schnell wie möglich ein Versteck suchen musst, möglichst eine Nische in der Wand, noch besser eine Kammer. Darin verkriechst du dich, denn schon nach ein, zwei Minuten kommt dir ein Feuerwall entgegen. Normalerweise füllt er den ganzen Tunnel aus. Wer nicht rechtzeitig einen Schlupfwinkel findet, verbrennt. Es ist nutzlos, sich zwischen die Gleise fallen zu lassen, dort erwischt er dich. Merkwürdigerweise bekommen die Leute auf der Station, aus deren Richtung der Wall heranrast, nicht das Geringste davon mit. Keiner weiß, wo er entsteht, warum und wohin er wieder verschwindet. Alle, die es herausfinden wollten …« Der Kommandeur breitete resigniert die Arme aus. »Und wieder gilt, auf keinen Fall hinsehen: Es verzaubert einen. Das weiß man von verschiedenen Überlebenden. Dann gibt es noch die wandernden Tunnel …«
    »Mach zu«, sagte Max. »Wir müssen los.«
    »Nur noch dies. Wir haben von verschiedenen Seiten gehört, dass in den Tunneln Vagabunden unterwegs sind, Fußgänger, Wanderer, Streuner … Jeder nennt sie anders. Mit einem Wort, irgendwelche armen Teufel, die zu keiner Station
gehören. Sie wohnen in Seitentunneln, Abzweigungen, Übergängen. Keiner weiß, wovon sie leben. Angeblich von anderen Menschen, aber bisher hat noch niemand diese Vermutung bestätigt. Diese Wanderer haben jedenfalls auch schon Leute gerettet. Mitja, wo ist Jewgraf?« Der Schnurrbärtige wandte sich an einen der Soldaten, der seinerseits undeutlich etwas vor sich hin murmelte. »Ach, er erholt sich. Na, soll er sich erholen … Jewgraf haben sie aus dem Tunnel gezogen, als der Feuerwall kam, und auf kürzestem Weg über irgendwelche Seitengänge zur Nowogirejewo gebracht. Gefressen haben sie ihn nicht. Allerdings ist Jewgraf auch so was von dürr; wer sollte da was mit seinen Muskeln anfangen?! Das sieht bei deinem Bizeps, Max, möglicherweise anders aus.« Die letzten Sätze hatte er etwas lauter und mit deutlichem Spott hinzugefügt, woraufhin die Soldaten bereitwillig loswieherten. »Das war’s, Jungs. Geht mit Gott …«
     
     
    Max und Sergej gingen auf dem Schotter rechts und links der Schienen, direkt an der Wand. Max hielt das Gewehr einsatzbereit, blieb gelegentlich stehen und wandte sich um, aber der Tunnel gab vorerst keinen Anlass zur Besorgnis. Sergej, der zum ersten Mal in der postapokalyptischen Metro und zum ersten Mal überhaupt in einem Tunnel unterwegs war, sah sich ebenfalls um, aber mehr aus Neugier. Vor der Katastrophe hatte er sich nur in Zügen in der Metro fortbewegt und selten aus dem Fenster gesehen, meistens hatte er gelesen.
    Denis benahm sich wie jedes normale Kind: Erst ging er auf der rechten Schiene und hielt Max an der Hand,
dann wechselte er auf die linke hinüber und fasste die Hand seines Vaters, schließlich hüpfte er eine Weile auf den Schwellen. Erst nachdem er sich ausgetobt hatte, ging er ruhig.
    Sergej leuchtete mit dem Strahl seiner Taschenlampe über die halbrunde gewölbeartige Decke und die Wände mit den verrosteten, schief hängenden Kabelhalterungen. Auf einigen davon lagen mitunter noch durchhängende Leitungsdrähte, an manchen Stellen waren diese jedoch abgerissen. Warum, fragte sich Sergej, sollte irgendwer diese Kabel zerreißen? Und wer verfügt über so gewaltige körperliche Kräfte? Ganz sicher kein Mensch …
    Sergej dachte auch an Max. Sie hatten einen langen Weg zusammen

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